Der Ring der Kraft - Covenant 06
zurückkehren. Durchs Zerreißen des Wütrichs hat Nom das Wissen erlangt, dank dessen sich der Schrecken der Sandgorgonen beseitigen läßt, so daß sie ihre Artgenossen von gestauter Wut und Pein zu erlösen vermag. Sie ersucht um deine Erlaubnis, von hinnen ziehen zu dürfen.«
Linden merkte, daß sie albern lächelte; doch sie konnte es nicht verhindern. Sie hatte, wie furchterregend die Sandgorgonen auch waren, von dem Augenblick an, als Pechnase ihr davon erzählte, Widerwillen gegen das ihnen aufgenötigte Schicksal empfunden. »Laß sie gehen«, meinte sie gedämpft zu Covenant. »Es war von vornherein unrecht von Kasreyn, die Sandgorgonen in so einer Weise festzusetzen.«
Covenant nickte bedächtig, wog insgeheim das Für und Wider ab. Dann traf er seinen Entschluß. »Sag ihr«, antwortete er Cail, während sein Blick auf der Sandgorgone ruhte, »sie kann abhauen. Ich habe kapiert, daß sie bereit zum Gehorsam ist, aber ich sage, sie kann gehen. Sie ist frei. Aber ...« – das fügte Covenant in schärferem Ton hinzu – »ich wünsche, daß man die Bhrathair in Frieden läßt. Das Volk hat auch ein Recht auf Leben. Und ich habe den Bhrathair weiß Gott genug Schaden zugefügt. Ich möchte nicht, daß sie meinetwegen womöglich noch mehr leiden müssen.«
Gesichts- und folglich auch ausdruckslos erhob sich die Sandgorgone. »Nom hat deine Worte verstanden«, sagte Cail. Für Lindens Sinne deutete kein Ton ansatzweise an, daß er Nom um ihre Freiheit beneidete. »Sie wird gehorchen. Gleichfalls wird sie ihr Volk Gehorsam lehren. Die Große Wüste ist weit, und man wird die Bhrathair schonen.«
Noch ehe Cail verstummte, verfiel die Sandgorgone in geschwinden Lauf zum Ausgang der Halle. Begierig nach ihrer Zukunft, entschwand sie die Treppe hinauf, eilte in die Richtung des freien Himmels. Einige Augenblicke lang spürte Linden noch das Dröhnen ihrer breiten Füße auf den Stufen; ihre Wucht schien die steinerne Festung ins Klirren zu bringen. Aber dann verließ Nom die Reichweite von Lindens Wahrnehmung, und sie wandte sich von ihr ab wie von einer geheilten Erinnerung – als wäre der Tod Hergroms, Ceers und Blankehans' auf irgendeine unerwartete Weise endlich doch ertragbar gemacht worden.
Linden lächelte noch, als Covenant noch einmal Cail ansprach. »Bis heute mittag bleibt noch einige Zeit.« Er versuchte, seiner Stimme einen sachlichen Klang zu verleihen; aber das Licht in seinen Augen glomm voller Sehnsucht nach Linden. »Könntest du uns was zu essen besorgen? Wir sind in Mhorams Wohnräumen.«
Cail nickte und machte sich sofort an die Erledigung, entfernte sich mit raschen Bewegungen, jedoch ohne Hast. Sein Verhalten bewies Linden, daß ihr Gespür sie nicht täuschte. Der Haruchai hegte nun den nahezu eifrigen Wunsch, den Mann zu verlassen, den er zu schützen versprochen hatte. Aber ihr lag nicht daran, dem Haruchai jetzt Fragen zu stellen. Covenant hatte einen Arm um ihre Taille gelegt, und Zeit war kostbar. Sie hätte ihre Bedürfnisse als selbstsüchtig empfunden, wären sie nicht von ihm geteilt worden.
Als die beiden jedoch das Gewölbe mit dem hellen, silbernen Boden und geborstenen Stein betraten, trafen sie dort Sunder und Hollian an, die auf sie warteten.
Die zwei Steinhausener hatten sich ausgeruht, seit Linden sie zuletzt gesehen hatte, und wirkten deshalb nun ziemlich erholt. Sunder war nicht länger aus Erschöpfung wacklig in den Knien und zittrig. Hollian hatte vieles von ihrer jugendlichen Klarheit zurückgewonnen. Das Paar begrüßte Covenant und Linden scheu, als wüßte es nicht recht, wie weit der Zweifler und die Auserwählte sich inzwischen über andere Menschen erhoben haben mochten. Jenseits ihrer gemeinsamen Stimmung jedoch konnte Linden die Unterschiedlichkeit der beiden deutlich erkennen.
Im Gegensatz zu Sunders früherem Dasein hatte Hollian ein Leben der Anerkennung statt des Opfers geführt. Die feinen Narben, die ihre rechte Handfläche überzogen wie ein Strickmuster, besaßen starke Ähnlichkeit mit dem fahlen Narbengewirr an Sunders Unterarm, aber sie hatte nie das Blut anderer vergießen müssen. Seit damals hatte sie allerdings vorwiegend Hilfsdienste geleistet, Sunder zunächst unterstützt, nachdem er während des Marschs der Gefährten zur Wasserkante Memlas Rukh gemeistert hatte, später bei der Handhabung des Krill. Im wesentlichen war er es gewesen, der – zermürbt von Schuld und voller angestauter Heftigkeit – die Sonnengefolgschaft
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