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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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durchaus nicht leichter, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Wechsel von Schatten und trockener Hitze, so hatte sie das Empfinden, machte statt dessen ihren Geist benommen, und die Folgen zweier Tage ohne richtige Erholung oder Schlaf holten sie nun ein, als hätten sie in den Biegungen und Mulden des Flußbetts nur auf sie gewartet. Zu guter Letzt kam ihr der Gedanke, daß die Sonne der Dürre von allen Phasen des Sonnenübels am erträglichsten sei. Das aber war absurd; die Sonne war ihrer Natur nach mörderisch. Vielleicht würde sie Linden das Leben kosten. Trotzdem belastete sie Lindens Wahrnehmung weniger stark als die anderen Phasen. Daran hielt sie fest, als hätte jemand ihr widersprochen. Die Wüste ringsherum war schlicht und einfach tot. Zwar konnte Tod Kummer verursachen; aber Tote spürten keinen Schmerz. Der Sonne des Regens haftete die Kraft einer Manifestation der Gewaltsamkeit an, die bösartigen Kreaturen, die mit einer Sonne der Seuchen auftraten, glichen einer Verkörperung alles Abscheulichen; die Sonne der Fruchtbarkeit schien der ganzen Welt Schreie zu entringen. Unter der Sonne der Dürre dagegen war Linden lediglich zum Weinen zumute.
    Und schließlich weinte sie tatsächlich, das Gesicht in den Sandboden gepreßt, während ihre Hände an den Seiten ihres Kopfs den Untergrund zerkrallten, weil es ihr an der Kraft fehlte, um den Kopf wieder zu heben. Gleichzeitig fühlte sie sich weit entfernt von ihrem hingesunkenen Körper, getrennt und abgesondert von Covenant und Hollian, die ihren Namen riefen, ihr zu Hilfe eilten. So kann es nicht weitergehen , dachte sie mit der Geradheit eines unverzichtbaren Glaubens. Das muß aufhören. Mit jedem Mal, wenn die Sonne aufgeht, stirbt das Land ein wenig tiefer ab. Dem muß ein Ende gemacht werden.
    Covenants Hände packten sie, wälzten sie auf den Rücken, zerrten sie in den Schatten. Sie erkannte seine Hände, weil sie gefühllos waren und von solcher Bestürzung zeugten. Als er sie aufsetzte, versuchte sie mit Geblinzel ihre Sicht zu klären. Aber die Tränen wollten nicht zu fließen nachlassen.
    »Linden«, sagte Covenant leise, »bist du wohlauf? Hölle und Verdammnis! Ich hätte dir 'ne Gelegenheit zum Ausruhen geben sollen.«
    Das muß aufhören , lag Linden als Erwiderung auf den Lippen. Gib mir deinen Ring! Aber sie wußte, das wäre falsch. Sie ersah es daraus, daß die Finsternis in ihr bei dem bloßen Gedanken daran schlagartig anschwoll, nach Macht gierte. Sie vermochte ihren Gram nicht zu bezähmen. Covenant drückte sie fest an sich, schaukelte sie in seinen Armen und murmelte Worte, die nichts anderes bedeuteten, als daß er sie liebte.
    Allmählich wich die Hilflosigkeit aus Lindens Muskeln, und sie konnte endlich den Kopf heben. Sunder, Hollian, die Erste und Pechnase umstanden sie und Covenant. Sogar Findail stand dabei, die gelben Augen ein Spiegel innerer Konflikte, als wüßte er, wie nahe sie davor war, ihrer Machtgier nachzugeben, sich jedoch nicht darüber im klaren sei, ob er sich dadurch erleichtert oder bekümmert fühlen sollte. Nur Hohl schenkte ihr keine Beachtung.
    Entschuldigt , versuchte Linden zu sagen. Macht euch keine Sorgen um mich. Doch die Sonne der Dürre gloste in ihrer Kehle, und kein Laut drang hervor.
    Pechnase kniete sich neben sie, hob ihr eine Schale an den Mund. Linden roch Diamondraught, trank einen kleinen Schluck. Der stärkende Trank gab ihr die Stimme zurück. »Es tut mir leid, daß ich euch einen Schreck eingejagt habe. Mir fehlt nichts. Ich bin nur müde. Ich habe selbst nicht gemerkt, wie müde ich bin.« Der Schatten des Westufers ermöglichte es ihr, so etwas auszusprechen.
    Covenant vermied es, sie anzuschauen. »Ich sollte mir mal den Kopf untersuchen lassen«, murmelte er, als rede er zum Flußbett und zum weiten Himmel. »Wir hätten noch in Schwelgenstein bleiben sollen. Ein Tag mehr hätte mich nicht umgebracht.« Dann wandte er sich an die übrigen Gefährten. »Wir rasten hier. Vielleicht fühlt sie sich morgen besser.«
    Linden begann ihm noch zur Ermutigung zuzulächeln. Aber schon schlief sie ein.
     
    In der Nacht träumte sie wiederholt von gewaltiger Machtfülle. Immer wieder ergriff sie von Covenant Besitz, erniedrigte ihn zu einem Besessenen, nahm seinen Ring, benutzte ihn, um das Sonnenübel auszumerzen, die Erde davon zu befreien. Die bloße Gewalttätigkeit dessen, was sie im Traum verrichtete, war erstaunlich; es flößte ihr gleichermaßen Vergnügen und Entsetzen

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