Der Ring der Kraft - Covenant 06
leicht fallen können. Aber dazu kam es nicht. Seine Gegner ließen von ihm ab und setzten der Ersten nach. Pechnases Äxte gruben sich zwischen die Schulterblätter von Schraten, während er der Ersten folgte. Das Heulen der Höhlenwesen steigerte sich zu einem Kreischen, als die Riesin den Berg von Gebein erreichte. Sie packte einen Knochen, wirbelte zu ihren Bedrängern herum; er loderte wie eine Fackel, aber die gegen Feuer gefeiten Finger der Riesin ertrugen den Schmerz, hielten fest.
Im selben Augenblick verharrten sämtliche Schrate wie gebannt auf der Stelle. Ihr Geschrei verstummte, sie verfielen in unvermitteltes Schweigen; Entsetzen lähmte ihnen die Glieder.
Pechnase riß eine Axt aus der Wirbelsäule eines Schrats, hob seine Waffen, um sich gegen neue Angriffe zu verteidigen. Doch das erwies sich als überflüssig. Er blieb unbeachtet. Er keuchte nach Luft, schob sich durch die Masse der Schrate hinüber zur Ersten. Kein Schrat regte sich. Er humpelte an die Seite seiner Gattin, ließ eine Axt fallen, schnappte sich einen anderen brennenden Knochen. Unwillkürlich krampften sich die Höhlenschrate in ihrer Starre noch mehr zusammen. Einige begannen wie in eisiger Panik zu schlottern. Indem die Erste und Pechnase die Gebeine bedrohten, gefährdeten sie das einzige, was diesen Kreaturen den Mut verlieh, um Lord Foul zu trotzen.
Covenant fing sich gegen den Schrat, der ihn hielt, zu wehren an, wollte zu Linden. Aber der Schrat ließ ihn nicht los, schien seine Anstrengungen gar nicht zu bemerken, als wäre er vor Furcht umnachtet.
Die Erste bückte sich, wischte an der nächstbesten Leiche das Blut von ihrem Schwert, steckte es in seine Scheide zurück, bemächtigte sich eines weiteren Knochens. Feuer umlohte ihre Hände, doch sie schenkte ihm keine Beachtung. »Nun«, ächzte sie durch die Zähne. »Nun werdet ihr den Erdfreund freigeben!«
Der Höhlenschrat drückte seine Finger fester um Covenants Arm und rührte sich nicht. Ein paar Kreaturen am Rande der Horde regten sich ein wenig, stöhnten wie zum Widerspruch auf.
Unerwartet fuhr Linden hoch. Mit einem Ruck stieß sie sich aus der steinernen Mulde. Sobald sie wieder auf den Beinen stand, wankte und torkelte sie, als bebte der Boden. Aber irgendwie bewahrte sie das Gleichgewicht. Ihre Augen waren von Zorn und Enthemmung glasig. Man hatte es mit ihr zu weit getrieben. Indem sie halb schlurfte, trat sie hinter Covenant. Zwischen den Höhlenschraten, die dort geduckt herumstanden, fand sie eine liegengebliebene Keule. Sie war fast zu schwer für sie zum Aufheben. Linden nahm den Griff der Keule in beide Hände, wuchtete sie vom Felsboden hoch, hob sie bis über den Kopf und ließ sie auf das Handgelenk des Schrats niedersausen, der Covenant festhielt. Covenant hörte ein dumpfes Knacken. Der Schlag riß die Finger des Höhlenschrats von seinem Arm. Die Kreatur heulte auf. Wie irrsinnig schwang sie die Steinspitze, um damit nach Lindens Gesicht zu stechen.
»Halt!« Der Befehl der Ersten scholl durch die ganze Kaverne. Sie setzte einen Fuß auf die Schrathalde, machte Anstalten, mit einem Tritt Staub und Knochen auf dem Felsboden zu verteilen. Die Höhlenschrate erstarrten in erneuertem Grauen. Langsam zog die Erste den Fuß zurück. Ein leises Seufzen der Erleichterung säuselte an den Höhlenwänden entlang.
Schmerz bohrte sich in Covenants Ellbogen, stach in seine Schulter. Für einen Moment befürchtete er, sich nicht aufrecht halten zu können. Die Umklammerung des Höhlenschrats hatte seinen Arm übel beeinträchtigt; das Blut, das ihn nun wieder durchpochte, brannte wie Säure. Der Hohlraum der Kaverne schien in seinen Ohren ein Brausen zu verursachen. Er hörte keinen anderen Laut außer Pechnases mühsamer Atmung. Aber er mußte sich zusammennehmen, mußte handeln. Die Riesen verdienten etwas Besseres von ihm als Schwäche. Linden und das Land verdienten Besseres. Er durfte sich keine Schlappheit leisten. Dergleichen beruhte nur auf Schmerz und Schwindligkeit, ihm längst so vertraut wie alte Freunde. Sie besaßen über ihn keine Macht, wenn er keine Furcht hegte – wenn er nicht zuließ, daß er Furcht empfand. Solange er Beherztheit bewahrte, war selbst Verzweiflung so gut wie Mut oder Kraft. Das war sein Mittelpunkt, der Punkt der Stille und Gewißheit. Einen Augenblick lang verschnaufte er. Dann stieg er trotz der Pein in seinem Arm aus der Vertiefung. Linden kam zu ihm. Ihre Berührung ließ seinen Körper erbeben; in seinem Innern
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