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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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handelte sich um Menschen, und ihr Elend ließ sein Herz sich aufbäumen. Ihre Augen blickten hohl drein, sie waren ausgemergelt und bemitleidenswert. Ihre von Erfrierungen verstümmelten Hände waren in aus ihren zerlumpten Kleidern gerissene Fetzen gewickelt. Auszehrung und Hoffnungslosigkeit hatten ihnen die Gesichter zerfurcht. Ihre spröden, brüchigen Stimmen waren aus Verzweiflung heiser. »Ausgesetzt!« schrien sie, daß es klang wie eine Erinnerung an den Klagewind.
    »Erbarmen!«
    Aber niemand an Bord der Dromond rührte sich. »Helft ihnen!« Lindens Stimme entfloh ihren von Eisperlen gepeinigten Lippen wie ein Stöhnen. »Werft ihnen ein Tau zu! Irgend jemand muß ihnen helfen!« Niemand tat etwas. Willenlos, von den Klauen der Kälte umklammert, starrten die Beobachter dem Eisberg nur nach, während er langsam davonschwamm, seine in Raserei verfallenden Opfer forttrug. Nach und nach beförderte die Strömung die Ausgesetzten außer Hörweite. »Im Namen Gottes.« Lindens Tränen bildeten unter ihren Augen etwas wie Fächer aus Geglitzer. Wieder empörte sich Covenants Herz. Aber er vermochte den Bann nicht abzuschütteln. Seine innere Stille schien sich übers ganze Meer auszudehnen.
    Weiteres Treibeis und andere Eisberge kamen näher. Eine Eisscholle lag wie eine Platte auf dem ruhigen Antlitz der Fluten. Unter der Wasseroberfläche streifte ihre Masse leicht das Schiff, schrammte am Rumpf entlang, als entränge sich der Dromond ein Ächzen. Für einen Moment fing die Eisscholle direktes Sonnenlicht ein und spiegelte es mit der Eindringlichkeit des Läutens einer Totenglocke wider. Doch Covenants Blick durchdrang den Glanz. Im Widerschein der Sonne standen Menschen, die er kannte.
    Hergrom. Ceer.
    Sie standen da, als preßten sie sich rücklings an den Sandwall. Zuerst bemerkten sie das Riesen-Schiff nicht. Aber dann sahen sie es. Ceer brüllte einen Gruß herüber, der sich wie ein Echo auf die Decks der Dromond senkte. Er entfernte sich von Hergrom und lief an den Rand der Eisscholle, schwenkte die Arme, wie um Beistand anzufordern. Da erschien mitten aus der Helligkeit eine Sandgorgone. Vor dem makellosen Hintergrund aus Eis selbst schneeweiß, stürzte sich die Bestie auf Hergrom, die Verheißung von Mord in ihren ausgestreckten, kraftvollen Armen. Ein Zittern befiel Cail. Stoßweise drangen Schübe dunstigen Atems zwischen seinen krampfhaft zusammengebissenen Zähnen hervor. Doch er bewahrte Beherrschung. Einen Augenblick lang brachte Ceers gleichmütige Miene die Erkenntnis zum Ausdruck, daß von dem Riesen-Schiff keine Unterstützung erwartet werden durfte. Sein Blick erzeugte in Covenants Brust ein Beben, wie von einem Vorwurf, auf den es niemals eine Antwort geben konnte. Danach eilte er Hergrom zu Hilfe.
    Die Sandgorgone schlug zu wie ein leibhaftiger Moloch. Risse barsten durch die Eisscholle. Eine blitzartige Folge von Hieben verspritzte Hergroms Blut übers Eis. Ceers Kräfte konnten dem Vieh nichts anhaben.
    Und noch immer regte sich niemand auf dem Schiff. Die Riesen wirkten nun, als bestünden sie selbst aus Eis, wären sie so starr und spröde-hart wie diese Wildnis der See. Lindens Weinen erstickte ihr in der Kehle. Tröpfchen von Blut rannen über Covenants Handflächen, als er seine Hände von der Reling zu reißen versuchte. Aber der Zugriff der Kälte ließ sich nicht lockern.
    Ceer. Hergrom.
    Doch die Eisscholle trieb gemächlich weiter, und niemand auf der Dromond unternahm etwas.
    Danach empfand Covenant das Warten, seit er in den Bann des Seelenbeißers geraten war, erstmals als lang. Endlich schwamm ein neuer Eisbrocken in die Nähe des Riesen-Schiffs. Er war klein, durchmaß kaum einen Meter, und seine Oberfläche ragte nur geringfügig aus dem Wasser. Er wirkte viel zu unbedeutend, um der Bringer von so großem Grauen sein zu können. Für einen Moment behinderte sein Schimmern Covenants Sicht. Er konnte jenseits der aggressiven Helligkeit des zurückgeworfenen Sonnenscheins nichts erkennen. Dann aber klärte sich sein Blickfeld wieder. Auf dem kleinen Eisklotz stand, der Dromond zugedreht, Ankertau Seeträumer, schaute zu den Beobachtern herauf. Seine Haltung war aufrecht; ernst hatte er die Arme über die Wunde verschränkt, die in seiner Brust klaffte. Die Augen oberhalb seiner Narbe waren voller schrecklichen Wissens.
    Zum Gruß nickte er knapp. »Meine Volksgenossen«, sagte er mit einer Stimme, die in ihrer Ruhe und ihrer Schwere dem Eis glich, »ihr müßt mich

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