Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
eindringlich an, öffnete plötzlich die Schwingen, stieß sich ab und erhob sich zu einem weichen Flug in die Lüfte, um mit gedämpftem Flügelschlag im Wald zu verschwinden und nur das Echo ihres eintönigen Rufes und eine Aura verblassenden blauen Lichtes zu hinterlassen.
Unter Libby gaben die Knie nach, und Michael hob sie hoch und nahm sie in die Arme, ehe sie zusammenbrach. Er drückte sie an seine Brust und vollführte eine Drehung, wobei sein Lachen sie wie ein Erdbeben erschütterte.
»Sag nie wieder, dass du Angst hast, Libby«, sagte er und drehte sich im Kreis, bis ihr schwindlig wurde. »Du bist eine tapfere Frau. Tapferer als die meisten Männer, die ich kenne.«
Libby umfasste seine Schultern, um ihr Gleichgewicht zu finden, und staunte über dieses neue Bild von Michael. Er konnte verspielt sein.
Oder war er nur erleichtert, dass sie nicht von den Fängen des Vogels zerfetzt worden war?
»Stell mich hin. Mir wird übel«, bat Libby und kämpfte gegen das Schwindelgefühl.
Er blieb stehen und ließ sie langsam an seinem Körper entlang hinuntergleiten, bis ihr Gesicht mit seinem auf einer Höhe war. »Verzeih«, sagte er. Seine schimmernden grauen Augen zeigten keine Spur von Zerknirschung. »Aber ich bin so überrascht, dass du es getan hast.«
»Überrascht? Überrascht?«, wiederholt sie etwas lauter. Sie versetzte ihm einen Schlag auf die Schulter. »Du hast gesagt, ich sollte es tun.«
Er nickte. In seinen Augenwinkeln zeigten sich Fältchen. »Ja. Mir fiel auf, wie gut du das machst, was man von dir verlangt.« Er wurde ernst. »Ich danke dir, dass du gegangen bist, ohne vor Daar eine Szene zu machen.«
»Er ist ein wirrer alter Mann.«
»Ja, aber im Grunde harmlos.«
»Wirst du mich bald auf den Boden stellen?«
»Ich weiß noch nicht … sollen wir unsere Debatte zu einem Ende bringen?«
»Sie ist beendet.«
»Nein.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich glaube, ich hatte eben gesagt, dass ich dich begehre.«
»Ich will dich auch, Michael. Aber ich … ich habe Angst.«
»Deine Antwort lautet also Nein?«
»Ach, verdammt, Michael …nein, Michael, ich sage ja.«
8
F ür jemanden, der mit sich sehr zufrieden hätte sein sollen, war Michael ungewöhnlich schweigsam, als sie ihren Weg bergab fortsetzten. Aber schließlich hatte Libby selbst nicht viel zu sagen.
Etwas machte ihr Sorgen. Eigentlich zwei Dinge, die nichts mit der Tatsache zu tun hatten, dass sie sich eben auf eine Affäre eingelassen hatte. Nein, vorhin hatte Michael etwas gesagt, das ihre Neugierde geweckt hatte, und auch der Priester hatte eine merkwürdige Äußerung gemacht.
»Michael, was hast du gemeint, als du sagtest, du würdest nicht zulassen, dass Robbie zu einem Menschen von heute, einem Weichei, heranwächst? Was meintest du damit?«
Er warf ihr aus dem Augenwinkel einen Blick zu, dann galt seine Aufmerksamkeit wieder dem Waldpfad.
»Michael?«
»Ist dir je aufgefallen, wie verweichlicht die Männer der modernen Gesellschaft sind? Wie Kriege geführt, aber nicht gewonnen werden? Und wie die Menschen auf ihr Recht, sich selbst zu schützen, zugunsten eines Systems verzichten, das meist erst eingreift, wenn es zu spät ist?«
»Ach, du bist ein Philosoph?«, fragte sie und packte seinen Arm, um ihn am Weitergehen zu hindern und damit er sie anschaute. »Du lebst hier im Gebirge, beobachtest die Welt aus der Distanz und maßt dir ein Urteil über die Gesellschaft an?«
»Nein, meine Liebe. Ich beurteile nur mich und meinen Sohn. Robbie soll stark und tüchtig werden. Er soll nach den Naturgesetzen leben und nicht nach den Regeln der Menschen.«
»Er ist immer Teil der Gesellschaft, wo auch immer er lebt. Und diese Regeln sind die Grundlagen unserer Zivilisation. Ohne sie würde Chaos herrschen.«
»Es gibt jetzt aber verdammt viel mehr Regeln als vor achthundert Jahren.«
»Weil es viel mehr Menschen gibt«, hielt Libby ihm entgegen, von dieser neuen Seite Michaels fasziniert.
Fasziniert, aber nicht überrascht.
War es nicht genau dies, was sie zunächst angezogen hatte? Hatte sie seine stille Kraft nicht gespürt?
»Ja. Es gibt viel mehr Menschen«, pflichtete er ihr bei. »Und deshalb lebe ich hier.« Er sah sie mit hochgezogener Braue an. »Und deshalb bist auch du gekommen.«
Nun, das konnte sie nicht abstreiten. »Vater Daar nannte dich Krieger? Warst du Soldat?«
»Ja. Bis vor zwölf Jahren.«
»Welche Waffengattung?«
»Bei der kämpfenden Truppe.« Er sah sie mit schiefem
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