Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
Aufmerksamkeit wieder dem Vogel galt. Schließlich blickte er wieder auf Libby hinunter.
»Libby, soll das heißen, dass du diese Eule fürchtest, weil du glaubst, sie könnte Robbies Mutter sein?«
»Ja. Nein. Ich … ich weiß nicht, Michael. Vor einer Woche hätte ich dich noch ausgelacht. Aber jetzt …« Libby senkte den Blick auf seine Brust. »Ich weiß nicht mehr, was real ist und was nicht.«
Er hob ihr Kinn mit dem Finger an. »Was geschah vor einer Woche?«
»Etwas, das ich nicht erklären kann. Etwas, über das zu sprechen ich noch nicht bereit bin.«
»Dann lassen wir es«, flüsterte er ihr mit warmem Lächeln zu. »Aber deine Angst vor dieser Schneeeule wollen wir jetzt ausräumen. Tun wir es nicht, wird sie dich in deinen Träumen verfolgen, bis sie zufrieden ist.«
»Zufrieden? Womit? Dass sie mich vertrieben hat?«
Er nickte. »Ja. Oder dass du für würdig befunden wurdest, zu bleiben und Robbies Freundin zu sein. Sie scheint eine Eule mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt zu sein.«
»Ist sie auch besitzergreifend?«
»Nein. Jetzt schlägt ihr Herz allein für Robbie.«
Er schob seinen Finger von ihrem Kinn auf ihre Lippen, als sie wieder zum Sprechen ansetzte. Dann drehte er sie um, und langsam, ganz langsam blickte Libby auf.
Die Flügel der Eule waren an den Seiten angelegt. Groß und aufmerksam stand sie da, mit einem Blick, direkt und Libby durchdringend.
Plötzlich stieß die Eule einen kurzen, klaren, eintönigen Pfiff aus, der Libby zusammenzucken ließ. Michael umfasste ihre Schultern fester. Der Vogel öffnete die Schwingen und trat auf dem Ast ein Stück beiseite, den Kopf in einer kreisförmigen Bewegung neugierig duckend.
Libby wollte einen Schritt zurückweichen, Michael aber hielt sie fest. »Wenn sie auffliegt, halt still«, flüsterte er und ließ seinen Atem sanft über ihren Scheitel streichen. »Zeig ihr, dass du den Mut hast, Robbies Freundin zu sein.«
»Aber ich habe ihn nicht, Michael.«
»Doch«, widersprach er leise und drückte ihre Schultern.
Plötzlich sank seine Hand herunter, er trat einen Schritt zurück. Libby stand allein da.
»Heb deine Arme. Pfeif, wie sie eben gepfiffen hat, und warte, ob sie zu dir kommt.«
Der Mann war eindeutig verrückt.
Oder sie war es. Verdammt nochmal. Es handelte sich um einen Vogel und nicht um einen Dämon, um keinen Albtraum und auch nicht um Robbies tote Mutter. Es handelte sich um eine Eule. Eine schöne, majestätische Schneeeule. Libby hob ihren Arm, führte zwei Finger an die Lippen und pfiff.
Die Eule zwinkerte, breitete die Schwingen aus und ließ sich von ihrem Sitz fallen, um über die Lichtung zu gleiten und auf Libbys Ärmel zu landen.
Das Tier war erstaunlich leicht für seine Größe. Und in Anbetracht der über ein Zoll langen Fänge erstaunlich sanft. Die Schneeeule hielt sich fest, ohne Libby blutende Kratzer zuzufügen, und öffnete den Schnabel, um eine Reihe leiser Krächzlaute auszustoßen.
»Sie wird die Flügel anlegen, wenn du zu zittern aufhörst«, sagte Michael aus einer Entfernung von gut zwanzig Schritten. »Sie versucht das Gleichgewicht zu halten.«
Also gut. Sie versuchte sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie einen gefährlichen Vogel auf dem Arm hatte. Einen, dessen Augen nun mit ihren auf einer Ebene waren.
»Streich ihr über die Brust«, wies Michael sie an. »Sprich mit ihr, Libby.«
Libby hob ihre Linke und streichelte langsam und ganz behutsam die Brust des Vogels.
Mary – wenn Libby sich nur an diesen Namen hätte gewöhnen können – beruhigte sich und legte die Flügel an. Das Krächzen verstummte, die Augen schienen milder zu blicken. Sie starrten einander sekundenlang an, und Libby entspannte sich.
»Ich werde deinem Sohn nichts antun«, flüstert sie so leise, dass Michael es nicht hören konnte. »Und ich kann Plätzchen und Kuchen backen.«
Mary zwinkerte und gab ein leises, tiefes Rasseln von sich.
»Ich kaufe ihm einen Reithelm«, fuhr sie fort, von der Reaktion des Vogels ermutigt. »Und ich werde mir sein Weihnachtsstück in der Schule ansehen, falls eines aufgeführt wird. Lass mich seine Freundin sein, Mary, und ich verspreche, ihm nicht das Herz zu brechen.«
Die weiße Eule verstummte und wandte den Kopf, um Michael anzusehen. Sekundenlang starrte sie ihn an, dann wandte sie sich wieder Libby zu.
Libby lächelte verständnisvoll. »Auch Michaels Herz werde ich nicht brechen«, flüsterte sie. »Ich verspreche es.«
Die Eule sah sie
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