Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
erforderte Geduld beim Entfachen und Hüten der Flammen und schuf damit einen der menschlichen Natur angepassten Tagesrhythmus.
Elizabeth drückte auf die Fernbedienung, und die Flamme in ihrem Kamin erlosch. Sie klickte wieder, und das Feuer erwachte zischend zum Leben.
Sie gönnte sich noch einen tiefen Schluck Scotch und kostete das Brennen in der Kehle aus. Ihr Magen wärmte sich. Ihre Muskeln prickelten, als ihre Anspannung nachließ.
Der Zug war zehn Meilen nördlich der Stadt entgleist. Dreiundvierzig Fahrgäste hatten Verletzungen erlitten, bei sechs Personen war der Zustand kritisch.
Elizabeth hatte sich mit drei der am schwersten verletzten Unfallopfer befasst.
Zwei von ihnen waren fast Routinefälle gewesen, wenn man das von so schweren Fällen sagen konnte, und Elizabeth hatte ihr ganzes Wissen und ihre Erfahrung eingesetzt. Der junge Mann mit dem Milzriss und ein anderer mit Rippenbrüchen und Lungenverletzungen würden überleben und das Leben wieder aufnehmen, das vom Schicksal so jäh unterbrochen worden war.
Den Scotch brauchte sie wegen Patientin Nummer drei.
Elizabeth würde Esther Brown und deren Mann Caleb ihr Leben lang nicht vergessen. Das ältere Ehepaar war nach Seattle gefahren, um Tochter und Enkel zu besuchen.
Caleb hatte Glück gehabt und war bei dem Zugunglück mit Schnittwunden, ein paar Rippenprellungen und einem geschwollenen Knie davongekommen, Esther aber hatte Verletzungen erlitten, die für eine Achtundsiebzigjährige lebensgefährlich werden konnten: ein zerschmettertes Bein, einen Bruch des Handgelenks und innere Blutungen.
Bevor Elizabeth Esther in den OP-Raum schieben lassen konnte, hatte Caleb darauf bestanden, mit seiner Frau zu beten, und er hatte zudem darauf bestanden, dass Elizabeth mit ihnen betete.
Für die im Schatten Grammy Beas aufgewachsene Elizabeth waren Gebete etwas Vertrautes. Sie wusste um deren Kraft, und wenn sie mit Esther und Caleb betete, bedeutete dies nicht, dass sie emotional beteiligt war. Es bedeutete nur, dass sie als Ärztin gewillt war, alle möglichen Mittel auszuschöpfen, um ihrer Patientin über das Trauma einer Operation hinwegzuhelfen.
Elizabeth hatte also neben Caleb stehend die Hand auf Esthers Arm gelegt und sich ganz fest gewünscht, die Frau möge überleben.
Doch in diesem Moment war etwas eingetreten.
Etwas Unerklärliches.
Elizabeths Körper hatte sich erwärmt. Ihre Haut hatte sich gestrafft. Ihr Herzschlag hatte sich verlangsamt, der Raum, in dem sie sich befand, war ihrer Sicht entschwunden, bis nur mehr Licht um sie war.
Eine Anordnung reinster Farben hatte sie umgeben. Ein Regenbogen laserscharfer, strahlender Farben war durch ihren Kopf gewirbelt. Und Esther Brown war bei ihr gewesen.
Nur hatte Elizabeth Esther nicht gesehen, sie war Esther geworden. Sie hatte gespürt, wie das Blut durch Esthers Adern strömte, hatte Esthers Herzschlag gespürt, sie hatte jeden Atemzug zusammen mit der Frau gemacht. Und sie hatte Esthers Lebenswillen gespürt.
Elizabeth hob ihre zitternde Hand und untersuchte deren Silhouette im Licht des Kamins. Sie prickelte noch von der verbliebenen Wärme.
Elizabeth wusste, dass Grammy Bea sich oben im Himmel vor Lachen ausschüttete.
Elizabeth hatte ihre Großmutter nicht nur geliebt, sie hatte sie angebetet. Während ihre Eltern irgendwo Urlaub machten oder an nicht enden wollenden Konferenzen teilnahmen, hatte es Elizabeth genügt, sich in der Aufmerksamkeit ihrer Großmutter zu sonnen.
Ein einziges Mal war Bea sich mit Elizabeths Eltern einig gewesen, damals nämlich, als Katherine und Barnaby Hart verkündet hatten, ihre Tochter solle einmal Ärztin werden, eine Prophezeiung, die nach Elizabeths Geburt getroffen worden war, und alle, auch Bea – und später Elizabeth selbst – hatten einunddreißig Jahre darauf hingearbeitet, dieses Vorhaben zu verwirklichen.
Der einzige Misston war die Ankündigung ihres Vaters gewesen, dass Elizabeth eine Ausbildung zur Chirurgin machen würde. Da hatte Bea widersprochen, sehr lautstark, und hatte behauptet, jawohl, ihre Enkeltochter sei für den Heilberuf bestimmt, doch solle sie lieber Allgemeinmedizin wählen.
Chirurgie sei ein zu eingeschränktes Gebiet, hatte Bea eingewendet. Zu stark auf einzelne Körperteile fokussiert und nicht auf den gesamten Patienten. Bea erklärte, Elizabeth sei die Gabe des Heilens angeboren, die mütterlicherseits in der Familie weitervererbt wurde. Elizabeths Bestimmung wäre die Allgemeinmedizin.
Eine
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