Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
außer seinem eigenen Herrn niemanden in seine Nähe lässt. Aber was hätte Harun al Dhin schon mit einem Schlachtross anfangen sollen? Vermutlich war das Tier einfach nur nervös, wie alle hier auf dem Hof.
    Auch Robin hatte Angst. Immer wieder glitt ihr Blick unsicher über die versammelten Männer, tastete über die Mauerkämme und die flachen Dächer der nahe gelegenen Häuser, versuchte, etwas in den schwarzen Schattenschluchten dazwischen zu erkennen. Der Mond stand nur als schmale Sichel am Himmel, und es gab deutlich mehr Dinge, die man nicht sehen konnte, als solche, die zu erkennen waren. Das Gift der Assassinen hatte seine Wirkung auch auf sie nicht verfehlt.
    Harun nahm sein Kleiderbündel vom Sattel des Hengstes und warf es sich ohne die geringste sichtbare Anstrengung über die Schulter. Dabei ermahnte er den unglückseligen Krieger, der um ein Haar unter den Hufen des Pferdes geendet hätte und auch jetzt noch zitternd und mit schreckensbleichem Gesicht dastand, dass niemand sein Reittier berühren solle. Es sei ein wenig unruhig. Er trug dem Mann auf, einen Sklaven zu Aisha zu schicken, die das Tier am Zügel zu seinem Stall zurückführen solle. Ihr würde der Hengst vertrauen.
    »Wenn diese Diskussion denn heute noch einmal zu Ende geht, können wir dann endlich aufbrechen, hochverehrter Harun al Dhin?«, fragte Omar mit beißendem Spott. »Natürlich nur, wenn es Euch nicht zu viele Umstände bereitet, allerhochwürdigster Meister der geschmacklosen Kleidung.«
    Harun machte ein beleidigtes Gesicht. »Was ist mit Nemeth?«, fragte Robin.
    Man sah Omar an, dass seine Geduld nun nahezu erschöpft war. Doch in diesem Moment kehrte Omars Leibwächter mit Nemeth und ihrer Mutter zurück. Beide trugen die gleichen schwarzen Umhänge wie alle hier auf dem Hof - Harun einmal ausgenommen - und sie wirkten vollkommen verstört. Nemeth klammerte sich mit solcher Kraft an ihre Mutter, dass es Saila kaum möglich war, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Als sie Robin sah, blitzte so etwas wie eine schwache Hoffnung in ihrem Blick auf, aber Nemeth wirkte noch verängstigter. Natürlich, dachte Robin bitter. Was hatte Harun gerade gesagt? Bringst du jedem, der dir zu nahe kommt, Unglück? Vielleicht hatte er ja Recht.
    Sie zwang ein möglichst zuversichtliches Lächeln auf ihre Lippen, ging den beiden mit schnellen Schritten entgegen und sagte: »Ihr werdet uns begleiten. Habt keine Angst.«
    »Begleiten?« Sailas Stimme zitterte, aber das Misstrauen darin war trotzdem nicht zu überhören. »Ich habe mich kaum von meinem Sturz erholt - bei der Flucht, die du angezettelt hast und die meinem Mann das Leben gekostet hat. Wie könnte ich dir da von Nutzen sein?«
    »Das wird sich zeigen«, antwortete Robin ausweichend. »Ihr müsst jedenfalls an einen anderen Ort. Mehr weiß ich nicht. Bis auf eins noch: Ihr seid ab sofort keine Sklaven mehr.«
    »Keine Sklaven?« Sailas Augen wurden schmal. Sie vertraute ihr nicht. Und wie konnte sie auch?
    »Ich werde euch alles erklären, sobald ein wenig Zeit dazu ist«, sagte Robin. »Jetzt aber müssen wir uns beeilen. Folgt mir. Und bleibt immer dicht bei mir, ganz egal, was auch passiert.«
    »Und seid vor allem still!«, zischte Omar. Er warf noch einen mahnenden Blick in die Runde - Robin konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sein Blick eine Winzigkeit länger auf ihrem Gesicht verharrte als auf denen der anderen - und trat dann, dicht gefolgt von seinem Leibwächter, durch das Tor. Robin schloss sich ihm unaufgefordert an. Doch kaum hatten sie den Sklavenhof verlassen und sich nach rechts gewandt (genau in die entgegengesetzte Richtung zu der, die sie bei ihrer Flucht gewählt hatte), da ging eine sonderbare Veränderung mit ihr vonstatten.
    Trotz der unterschwelligen Angst war sie plötzlich wieder zu einem Gutteil die alte Robin, die sie gewesen war, bevor das Meer und ein boshaftes Schicksal sie an die Küste dieses fremden, feindseligen Landes geworfen hatten. Sie trug weder ein Kettenhemd noch den Wappenrock der Tempelritter, sondern die Kleider eines Arabers und keinerlei Waffen. Aber jetzt spürte sie wieder die alte Erregung, das Kribbeln der Gefahr und die Herausforderung, einfach um die entscheidende Winzigkeit besser zu sein als die, vor denen sie auf der Flucht waren.
    Sie war nicht die Einzige, die dann und wann einen Blick über die Schulter zurückwarf, während sie nahezu lautlos die Gasse hinunterhuschten. Dabei versuchte sie, sich jede

Weitere Kostenlose Bücher