Der Ring von Ikribu
die geringste Gelegenheit wartete, ihr den Ring zu rauben. Sie stieß eine Verwünschung hervor und schaute wieder geradeaus.
Weiter hinten schrie jemand.
Weder Sonja noch Olin achteten darauf. Wieder einer, der in die Abgründe dieser Hölle gezogen worden war. Doch dann schrillten immer mehr Schreie. Nun drehte Olin sich hastig um. Aus vielen Kehlen gleichzeitig hörte er nun:
»Sie sind wiedergekommen!«
Olin fluchte, blickte Sonja an und wendete sein Pferd. Die Reihen seiner Männer – die den Hang abwärts und sich tief ins Dunkel des Sumpfwaldes schlängelten – waren nur zum Teil zu sehen. Alle Soldaten hatten sich im Sattel umgedreht und spähten hinter sich. Die Schreie aus den hinteren Reihen echoten und erhoben sich auf neue.
»Sie sind zurückgekommen!«
Kalter Schweiß brach Olin aus. »Ihr Götter!« fluchte er. Er galoppierte den Hang hinunter, vorbei an seinen Truppen in den Sumpf, als wolle er ihn zu dem Wagnis herausfordern, ihn zu verschlingen.
Sonja gab ihrem Rotschimmel die Fersen und brauste hinter Olin her.
Allas wandte sich Som zu. Die Augen des Riesen glitzerten. Er knurrte so tief, dass es kaum zu verstehen war: »Die Söldner!«
Eine eisige Hand legte sich um Allas’ Herz. »Sie – leben?«
Mit hohler Stimme warf Herzog Pelides ein: »Sie fallen über unsere Truppen her!«
Tias wimmerte.
Olin kämpfte sich einen Weg durch Büsche und Dickicht – fast verfing sein Pferd sich in hohen Wurzeln – und planschte durch Schlamm und modriges Wasser. Nahe dem Ende der Kolonne hielt er plötzlich an, als er zu einem geballten Haufen seiner Leute kam. Es war für Sonja so unerwartet, dass sie fast vom Pferd geworfen wurde, als sie es im letzten Augenblick zügelte.
»Was ist los?« brüllte sie und zog ihr Schwert.
Ihre Antwort war die Schlacht vor ihr. Etwa zweihundert Soldaten kämpften gegen eine finstere Armee, die an Zahl weit stärker als sie war. Einige von Olins Leuten waren abgesessen oder abgeworfen worden. Dutzende von Pferden waren durchgegangen und rasten blindlings in alle Richtungen, gerieten in Sumpflöcher und versanken wiehernd und verzweifelt strampelnd. Einige Soldaten hatten, von ihrer Furcht überwältigt, den festeren Pfad verlassen, und nun erging es ihnen nicht besser als den Pferden – langsam verschluckte der Sumpf sie.
Beim Anblick der feindlichen Armee hielt Olin entsetzt den Atem an.
Die toten Söldner waren aus ihren Sumpfgräbern auferstanden – aufgedunsen, verstümmelt, mit klaffenden Wunden, die Rüstungen verkrustet, mit teilweise zerfressenen Gesichtern. Untot schlurften sie herbei, schwangen ihre Waffen schwerfällig. Aus dichten Schatten und Nebelschleiern kamen sie unaufhaltsam heran und griffen Olins Truppen von einem fremden bösartigen Willen getrieben an. Pferde wieherten und bäumten sich auf; Soldaten sprangen auf den trügerischen Boden, hoben Schwert und Schild, kämpften gegen die ruhelosen Toten und wurden niedergemacht. Da und dort gelang es einigen Soldaten, die wandelnden Leichen zu besiegen, doch nur indem sie sie in den Sumpf stießen, der sie festhielt.
»Blas zum Kampf!« brüllte Olin einem Trompeter zu.
Er brauste vorwärts. Seine Soldaten – verschreckt, verwirrt und unsicher – wendeten ihre Pferde und verteilten sich vorsichtig über das gefährliche Gelände.
Die Söldner stampften durch den Schlamm und hieben mit ihren Klingen um sich, auch wenn sie ihre Gegner noch nicht erreicht hatten. Gellende Schreie und Wiehern zerrissen die Luft. Sonja galoppierte ebenfalls vorwärts, geriet fast in ein Sumpfloch. Sie riss ihr Pferd herum und schlug einen der Untoten nieder. Ihr Rotschimmel stolperte, warf sie ab und ging durch. Glücklicherweise war sie auf einigermaßen festem Boden aufgeschlagen. Sie sprang auf die Füße und hob das Schwert.
Sie schaute sich um. Aus der Menge löste sich ein Zombie und torkelte auf sie zu. Ihr graute vor den blicklosen Augen, von denen fast nur das Weiße zu sehen war. Er schlug mit dem Schwert nach ihr. Mühelos konnte sie ihm ausweichen, die eigene Klinge schwingen und ihm den Kopf abtrennen. Offenbar war er durch die Wucht in ein Sumpfloch geworfen worden, in dem er schnell versank.
Doch die Soldaten um sie herum schienen weniger Glück zu haben. Sonja sah, wie ein Soldat einem Zombie den Kopf abtrennte, doch die schädellose Leiche schlug weiter auf ihn ein. Vor Grauen brüllend, wich der Soldat aus, dann stieß er den Zombie heftig mit dem Stiefel, so dass er das
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