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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Nächstes Quant.
    Gas! Erst jetzt entdeckte ich die Gasmaske auf Dr. Bakers Gesicht.
    Ich stand ziemlich weit hinten, deshalb hatte er mich noch nicht erwischt. Sofort wich ich weiter zurück, so weit wie möglich, um dem feinen, weißen Nebel zu entkommen, der vor mir in der Luft hing. Dr. Baker richtete das Spray auf Manuel, der schnell, aber nicht schnell genug auswich, und ebenfalls kollabierte.
    Ohne den Pod verlangsamte sich mein Denken dramatisch. Rückschlüsse, die eben noch offensichtlich waren, verschwommen zu undefinierbaren Gebilden. Ich presste mich an die Wand und hoffte, dass das Gas sich bald verziehen und Dr. Baker nicht noch mehr davon freisetzen würde. Oder hatte er womöglich tatsächlich vor, uns ein für alle Mal auszuschalten?
    Er blickte mich an. Bestimmt würde er mir gleich den Rest geben. Aber er sprühte mir nicht ins Gesicht, sondern zog eine Pistole. Manuel hätte mir sagen können, welches Modell; ich wusste nur, dass es eine tödliche Waffe war. »Ohne deine Kumpanen weißt du nicht mehr weiter, was?«
    »Dr. Baker.« Ich zögerte. Anders als Meda brauchte ich ein bisschen, um die richtigen Worte zu finden. »Wir wollen Ihnen nichts Böses.«
    Er ging neben Meda in die Knie und riss deren Haare zur Seite. »Ich weiß, was das zu bedeuten hat!«
    »Nein. Sie irren sich. Auch was die Bären angeht.«
    Er schnaubte. »Ich habe sie erschaffen. Ich kenne diese Kreaturen bis zu ihrer verdammten Doppelhelix! Und ich warne dich, ich kann auch anders!«
    »Die Bären haben ein Bewusstsein entwickelt. Sie …« Was konnte ich als Beweis anführen? »Sie können Geschichten erzählen.«
    »Wunschdenken! Mädchenträume!« Dr. Baker wedelte mit der Pistole. »Ich weiß zwar nicht, was ihr hier wollt, aber ich habe vorgesorgt. Ich dachte mir schon, dass die Community eines Tages hier aufkreuzen würde. Deshalb habe ich mir längst ein zweites Labor eingerichtet. Ich werde diese Station zerstören und ganz von vorne anfangen.«
    »Wir sind keine Agenten der Community! Es gibt keine Community mehr!«
    »Und was ist das?« Angewidert deutete er auf Medas Interface-Buchse.
    »Das wollten wir nicht! Wir wurden vergewaltigt!«
    »Gerede, nichts als Gerede. Ich weiß, was ich mit eigenen Augen sehe. Ich weiß, was ich mit eigenen Händen geschaffen habe. Von Anfang an, schon bei den ersten Pods, hatte die Community ihre Finger im Spiel. Und ihr seid der lebende Beweis!«
    Offensichtlich hörte er mir gar nicht richtig zu. Ich schüttelte den Kopf, Tränen auf den Wangen. »Und jetzt wollen Sie die Bären töten?«
    Er starrte mich verständnislos an. »Das sind doch bloß Tiere.«
    »Nein!«, schrie ich. Aber noch mehr als Dr. Baker verabscheute ich mich selbst – weil ich die Situation nicht kontrollieren konnte, weil meine Logik an diesem Singleton scheiterte.
    Hinter der verbogenen Tür hörte ich Papa und Schlummer schnauben. Moira? Alles in Ordnung?
    Auf einmal war mir klar, was ich tun musste. Ich wünschte, es hätte einen anderen Ausweg gegeben. Er will Strolch und alle ihre Babys töten.
    »Was soll das?«, fragte Dr. Baker. »Dein Pod ist doch bewusstlos …«
    Ein Prankenhieb riss die Tür aus den Angeln. Mit einem einzigen Satz landete Papa auf Dr. Baker, der mir einen letzten, erstaunten Blick zuwarf, ehe sein Gesicht in Fetzen hing. In diesem Moment wusste ich: Er hatte begriffen, was er erschaffen hatte. Als Papa ihm die Zähne in die Kehle rammte, verstummten seine letzten Schreie.
    Eine Blutlache breitete sich auf dem Boden aus. Ich rettete mich auf einen Labortisch und zog die Füße hoch. Die Arme um die Beine geschlungen, die Stirn auf den Knien, fing ich an zu weinen. Ich heulte und heulte, während Papa Dr. Bakers Leiche in den Stall zerrte, während Schlummer angelaufen kam, um mir die Haare zu lecken.
     
    Aus der Ferne sahen wir zu, wie das Labor abbrannte. Noch bevor er versucht hatte, die Bären und uns zu töten, hatte Dr. Baker Sprengladungen scharf gemacht. Seine gesamte Arbeit ging in Flammen auf, bis auf einen Datenträger mit wichtigen Hypothesen und Genomsequenzen, den wir in seiner Tasche entdeckt hatten. Manuel hatte ihn eingesteckt.
    Die Bären standen neben uns und starrten auf das Feuer. Lange blieben Gedanken und Stimmen stumm, bis ich das Schweigen brach. Ihr solltet weggehen, weit weg.
    Strolch schüttelte sich und schnaubte. Und ihr solltet mitkommen.
    Sie machten uns ein Angebot, dasselbe Angebot, das sie vor einer halben Ewigkeit Strom gemacht hatten.
    Strom

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