Der Ripper - Roman
entkorkte sie, nahm einen Schluck und seufzte. »Hilft gegen alle Leiden. Nehmen Sie einen Schluck.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich schätze, ich sollte weiter. Ich habe genug Tote gesehen.«
»Machen Sie sich mal keine Sorgen. Er ist in einem ganz passablen Zustand. Er stinkt nicht besonders, solange man den Wind im Rücken hat. Ich habe ihn erst vor zwei Tagen abgeschnitten.«
»Ihn abgeschnitten?«
»Er hat ein langes Seil geschwungen und am Ende eines kurzen gebaumelt.«
»Ein langes Seil geschwungen?«
»Er war Viehdieb. Aber das Glück hatte ihn verlassen, und die Cowboys, die ihn erwischten, haben ihn aufgeknüpft. Ich bin zufällig dazu gestoßen, gerade noch rechtzeitig, um ihn baumeln zu sehen. Ein wirklicher Glücksfall. Sie müssen wissen, es ist sehr schwer, ein vernünftiges Objekt zur Wiederbelebung zu finden. Eigentlich wollten die Cowboys ihn zur Abschreckung hängen lassen. Für einen Dollar ließen sie mich ihn jedoch abschneiden.«
Er nahm noch einen Schluck aus der Flasche. »Dieser Bursche hier, der wird wie neu, wenn er einen Schluck meines Elixiers bekommen hat.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Sollen wir es versuchen?« Lazarus stand auf.
Der Sargdeckel lag nur lose auf. Der Wunderdoktor beugte sich darüber und griff danach. Falls ich mich aus dem Staub machen wollte, war jetzt der richtige Zeitpunkt dafür gekommen. Doch ich blieb stehen. Lazarus hatte mich in seinen Bann geschlagen. Ich wusste, dass er keinen Toten wiederbeleben konnte, aber ich wollte sehen, wie er seine Schau abzog.
Da runzelte er die Stirn und richtete sich wieder auf. »Es gibt nur ein Problem.«
»Tatsächlich? Ich glaube, es gibt mehr als eines.«
»Ich wollte diesen Burschen für Demonstrationszwecke in Tucson verwahren. Ich kann ihn jetzt nicht wegen des Verkaufs einer Flasche verlieren.«
»Also soll ich mehr als eine Flasche kaufen?«
»Eine Wiederbelebung müsste fünf Flaschen wert sein.«
»Ich kaufe zehn, vorausgesetzt, er ist wirklich tot und erwacht wieder zum Leben.«
»Das wird Sie aber zehn Dollar kosten. Haben Sie die?«
Seine Frage stieß mich noch mehr ab als die Vorstellung, einen Toten in seinem Sarg zu sehen.
Plötzlich wusste ich, was hier gespielt wurde.
Er hatte gar nicht vor, den Toten wiederzubeleben.
Er war nicht lange in dem Wagen gewesen, aber immerhin lange genug, um Buster neben die Leiche in den Sarg zu schieben.
»Ich habe zehn Dollar.«
»Sind Sie sicher?«
»Machen Sie auf.«
»Es gibt aber noch eine nebensächliche Angelegenheit, die der Diskussion bedarf.«
»Ja?«
Er trat gegen den Sarg. »Wie ich bereits ausführte, wollte ich ihn in Tucson als Demonstrationsobjekt benutzen. Lebend wird er mir nicht viel helfen. Also will ich nicht, dass Sie Theater machen, wenn die Zeit gekommen ist, ihn erneut zu töten.«
»Bestimmt nicht.«
»Sie müssen wissen, ich werde ihn strangulieren. Das ist kein hübscher Anblick.«
»Das geht schon in Ordnung«, sagte ich in dem Wissen, dass es so weit nicht kommen würde.
»Was ich damit sagen will, Trevor - gewöhnen Sie sich nicht zu sehr an ihn.«
»Keine Angst.«
Er beugte sich wieder über den Sarg. Als er den Deckel beiseiteschob, wechselte ich das Elixier in die linke Hand und ließ die rechte über meinem Colt schweben.
Lazarus griff nicht in den Sarg, also zog ich auch den Revolver nicht.
Ich trat näher heran, wobei ich vorsichtshalber den Atem anhielt.
Kein Zeichen von Buster.
Nur ein Toter.
Ein dürrer Bursche, der kaum älter als dreißig aussah, mit Stiefeln, Arbeitshosen und dreckigem, kariertem Hemd. Der lange Henkersknoten lag auf seiner Brust, das Ende des Seils baumelte an seiner Seite. Sein Hals sah aus wie mit schwarzer Schuhcreme eingeschmiert. Auch die Zunge war schwarz. Sie ragte zwischen den Zähnen hervor. Das Gesicht hatte eine hässliche graue Farbe. Die Pennies auf den Augen sollten die Lider unten halten. Ich war erleichtert, dass die Augen geschlossen waren, fand es jedoch seltsam, dass die Münzen beim Abstellen des Sarges nicht heruntergefallen waren.
Lazarus schnippte sie weg. Sie flogen in die Kiste und landeten scheppernd irgendwo auf dem Boden. Die Augen blieben geschlossen.
»Wollen Sie die Ehre haben?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf und gab ihm das Elixier.
Lazarus nahm den Korken zwischen die Zähne, zog ihn heraus und spuckte ihn aus. Er verfehlte das Gesicht des Toten nur knapp.
»Vielleicht sollten Sie lieber einen Schritt zurücktreten,
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