Der Ripper - Roman
stehen. Sarah betrat das Haus vor mir. Ich folgte ihr, Mables Leichnam auf dem Arm. Wir fanden den General im Wohnzimmer.
Er stand aus seinem Sessel auf. Das Kinn klappte ihm herunter, dann schloss er den Mund wieder. Wortlos trat er zu uns und legte Mable eine Hand auf die Wange.
»Es tut mir so leid«, sagte Sarah mit bebender Stimme.
»Ich danke dir, dass du sie zu mir zurückgebracht hast, mein Schatz.«
Er warf mir einen traurigen Blick zu, nickte und nahm mir die Leiche ab. »Ich werde sie zu Bett bringen«, sagte er.
Wir blieben schweigend stehen, während er sie forttrug. Ich hörte das Knistern des Kaminfeuers, hörte, wie die Treppen unter den langsamen Schritten des Generals quietschten.
Kurz darauf hallte ein Schuss durchs Haus.
Sarah und ich zuckten zusammen.
Ich warf einen Blick zum Kaminsims. Der Revolver des Generals lag dort, wo er immer gelegen hatte.
Wir rannten nach oben.
Ich wusste, was uns erwarten würde, trotzdem mussten wir uns vergewissern.
Mable und der General lagen Seite an Seite in ihrem Bett. Es sah fast so aus, als hielten sie ein Nickerchen - hätte nicht hinter dem General Blut am Kopfende geklebt.
Er hielt Mables Hand.
Seine andere Hand hing über die Bettkante.
Ich sah keine Pistole.
Aber um die Spitze seines rechten Pantoffels war eine Schlinge befestigt.
Ich trat einen Schritt näher heran. Die Schnur führte von seinem Fuß zu einem am Boden liegenden Gewehr, um dessen Abzug sie verknotet war. Der Rückstoß musste das Gewehr von ihm weggeschleudert haben.
22
Nächtlicher Trost
Sarah war die einzige noch lebende Angehörige, aber der General und Mable hatten viele Freunde gehabt, die jetzt benachrichtigt werden mussten. Etwa dreißig von ihnen kamen, meistenteils alte Männer, einige davon mit ihren Ehefrauen im Schlepptau. Fast alle waren in Uniform. Sie sahen prächtig aus, mit ihren Säbeln an der Seite und der Brust voller Orden.
In der Methodistenkirche wurde eine Messe gelesen. Ein alter Bursche nach dem anderen stand auf und hielt eine Trauerrede für den General und Mable. Sie alle hatten nur Gutes über die beiden zu sagen.
Als der Zeitpunkt gekommen war, ihnen die letzte Ehre zu erweisen, stellten wir uns alle in einer Reihe auf und schritten an den Särgen vorbei. Mable war mit Rouge geschminkt worden und sah seltsam aus, aber sie trug ein feines Satinkleid, als wäre sie auf dem Weg zu einem Fest. Der General wirkte als würde er sie dorthin begleiten. Vielleicht zu einem Militärball. Er trug seine Uniform. Da er sich in den Mund geschossen hatte, war die Austrittswunde nicht zu sehen.
Ich schob eine seiner Pfeifen in den Sarg.
Sarah gab beiden Großeltern einen Kuss auf die Stirn.
Man bestattete sie auf dem Friedhof hinter der Kirche. Eine gepuderte Dame, die noch mehr Rouge trug als Mable, sang »Näher mein Gott zu dir«, dann setzte ein
dürrer, alter Soldat eine Trompete an die Lippen und spielte einen Zapfenstreich, was fast alle Anwesenden zu Tränen rührte.
Als alles vorbei war, versammelten sich die Trauergäste im Haus. Es stand mehr Essen auf dem Tisch, als ich je auf einem Haufen gesehen hatte. Wir aßen, und die Männer betranken sich. Später brachen die ersten auf. Andere blieben noch. Von Sarah für diese Gelegenheit eingestellte Diener bereiteten die Gästezimmer für sie vor.
Für mich blieb kein Schlafzimmer übrig, deshalb wollte ich es mir im Wohnzimmer bequem machen. Ich setzte mich in den Sessel des Generals.
Ich saß da, vermisste ihn und Mable und wünschte mir, ihn besser gekannt zu haben. Schließlich zündete ich eine der Pfeifen des Generals an. Ich glaube nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte. Als er noch gelebt und wir uns unterhalten hatten, hatte er mir ständig eine Pfeife angeboten. Ich hatte immer abgelehnt, aber jetzt wünschte ich mir, ich hätte mit ihm geraucht. Als die Pfeife zu Ende war, holte ich seine Rumflasche hervor. Das Zeug hatte mich immer einnicken lassen, also nahm ich ein paar kleine Schlucke, da ich davon ausging, ansonsten nicht einschlafen zu können.
Plötzlich kam Sarah herein. Ich ließ die Flasche verschwinden. Sarahs offenes Haar glänzte, ihr weißes Nachthemd wurde vom Feuerschein beleuchtet und schwang bei jedem Schritt mit. Sie sah einfach wunderschön aus.
Sie beugte sich über mich und flüsterte: »Du willst die Nacht doch nicht im Sessel verbringen?«
»Das geht schon in Ordnung.«
»Ich weiß einen besseren Platz«, sagte sie und nahm mich bei der Hand.
Sie
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