Der Riss im Raum
Mitochondrien in einem dieser schrecklich weltfremden Gastkörper auf einem dieser schrecklich einsamen Planeten versetzt zu werden. Ihr kommt doch alle von ein und demselben Stern? Dacht’ ich mir’s doch. Oh weh, oh weh, oh weh. Ich ahne schon, daß ich von euch für unsere diversen Prüfungen absolut nichts zu erwarten habe. So, und jetzt will ich einmal nachsehen, wie spät es ist.«
»Wie machst du das?« fragte Calvin neugierig.
»Indem ich die Blätter lese, natürlich. Jetzt sage gerade noch, daß ihr nicht einmal die Tageszeit feststellen könnt.«
»Doch. Selbstverständlich. Mit der Uhr.«
»Was ist eine Uhr?«
Calvin streckte Sporos die Hand entgegen. Er war sehr stolz auf seine Uhr, die er als Jahrgangsbester in der Schule gewonnen hatte; sie zeigte auch das Datum und den Wochentag an und konnte sogar als Stoppuhr und Wecker dienen.
»Was für ein seltsames Ding!« Sporos musterte die Uhr mit kaum unterdrückter Verachtung. »Gibt diese Blechdose nur eure Zeit an oder die Zeit im allgemeinen?«
»Ich nehme an – nur unsere Zeit.«
»Das heißt also, daß dir dein Uhrkistchen nicht sagen kann, wie spät es jetzt irgendwo in Blajenys Galaxis oder bei den Mitochondrien ist?«
»Nein. Wie denn auch? Die augenblickliche Zeit stimmt ja nur für unsere spezielle Zeitzone.«
»Oh, Yadah! Yadah! Wie kompliziert und verwirrend muß es auf eurer Erde zugehen! Ich kann nur hoffen, daß mein Gastkörper kein Erdenmensch ist.«
Herr Jenkins meldete sich vorwurfsvoll zu Wort. »Vielleicht hat jemand die Güte, mir zu erklären, was hier eigentlich vorgeht … «
»Herr Jenkins«, sagte Meg. »Sie wissen, was Echthroi sind.«
»Eben nicht! Das ist es ja! Ich weiß nur, daß sie die Frechheit besitzen, meine Gestalt anzunehmen.«
Blajeny legte Herrn Jenkins beide Hände auf die Hängeschultern und blickte ihm ernst in die Augen. »Das Böse ist in der Welt. Das Böse ist am Werk.«
Herr Jenkins nickte stumm. Dagegen hatte er nichts einzuwenden.
»Das Böse breitet sich im gesamten Universum aus.«
Herr Jenkins starrte hilflos den Cherubim an, der seine sämtlichen Flügel zu voller Größe ausgespannt hatte, als wolle er dem Feind mit seinen Muskeln imponieren. »Wie – wie groß ist so ein Echthros?«
»Sie kommen in allen Größen und in keiner Größe. Ein Echthros kann groß wie eine Galaxis oder klein wie eine Farandola sein. Oder, wie Sie am eigenen Leib erfahren haben: er kann in jede beliebige Gestalt schlüpfen. Die Echthroi sind die Mächte des Nichts, die Entfremder, die Entnenner. Ihr letztes und wichtiges Ziel ist, die ganze Schöpfung zu exen.«
»Und was wollen sie bei Charles Wallace erreichen?«
»Die Echthroi wollen seine Mitochondrien vernichten.«
»Warum geben sie sich ausgerechnet mit einem kleinen, unbedeutenden Kind ab?«
»Das Gleichgewicht im Kosmos hängt nicht unbedingt von Größe oder Bedeutung ab.«
Louise zischelte erregt, und Meg war fast sicher, ihre Botschaft zu verstehen: Die Schlange wollte bei Charles Wallace bleiben und ihm für seinen Überlebenskampf Mut zusprechen. »Louise!« rief Meg beschwörend, »bitte verlaß ihn nicht. Bitte hilf ihm!«
»Ich werde ihn nicht verlassen.«
»Kann er wieder gesund werden?«
Keine Antwort.
»Charles Wallace muß sterben, wenn seine Mitochondrien sterben«, setzte Blajeny Herrn Jenkins auseinander. »Können Sie mir so weit folgen?«
Herr Jenkins schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich dachte, er führt nur vor seinen Mitschülern das große Wort. Ich wußte nicht, daß es wirklich Mitochondrien gibt.«
Blajeny wandte sich an Meg. »Vielleicht kannst du es ihm erklären.«
»Ich will es versuchen. Aber ich bin nicht ganz sicher, daß ich selbst alles richtig verstehe, Herr Jenkins! Eines steht fest: Zum Leben brauchen wir Energie. Klar?«
»Bis jetzt, ja.«
Sie ahnte, daß Blajeny ihr alles Erforderliche zukythete, und ohne eigenes Zutun ordnete sie es mit ihrem Verstand, vereinfachte es, brachte es in Worte, die Herr Jenkins hoffentlich begriff. »Also: Jedes einzelne dieser Mitochondrien hat ein eingebautes System, mit dem es den Energieverbrauch regelt; das heißt: mit dem es die Körpersäfte verbrennt. – Drücke ich mich bis jetzt verständlich aus, Herr Jenkins?«
»Bitte fahre fort, Margaret.«
»Sobald die Zahl der Farandolae in den Mitochondrien – oder auch nur in einem einzigen – unter einen bestimmten kritischen Wert fällt, wird der Sauerstofftransport zwischen den Zellen unterbrochen. In
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