Der Riss im Raum
dort seine Hausarbeiten, las ihr, wenn er allein war, laut vor und teilte seine ganze Freizeit mit ihr.
Die erste Bohnensprosse, die in der Küche der O’Keefes stand, kümmerte bläßlich dahin – so, wie die Pfefferstauden der Zwillinge. Der zweite Samen, der in der Bücherei, der regelmäßig mit dem Notwendigen betreut wurde, entwickelte sich normal und unauffällig. Die dritte Pflanze aber, die Calvins ganze Liebe und Pflege erfahren hatte, schoß in die Höhe und gedieh auf das prächtigste.
Herr Jenkins kythete schwach, aber durchaus verständlich: »Wenn schon ein Philodendron und Bohnen so reagieren können, müßte ich daraus endlich auch Schlüsse auf das Verhalten der Farandolae ziehen – das ist es doch, was ihr mir beibringen wolltet?«
»So ungefähr … « erwiderte Meg.
Und Calvin ergänzte: »Begreifen Sie jetzt, daß Entfernungen keine Rolle spielen? Farandolae kennen einander und stehen miteinander in ständiger Verbindung. Räumliche Distanz stellt für sie kein Hindernis dar.«
Herr Jenkins wollte es noch immer nicht so recht glauben. »Wenn sie geliebt werden, wachsen sie? Und wenn sie nicht geliebt werden … «
»Öffnen wir den Echthroi Tür und Tor.«
Was Meg jetzt empfing, konnte nur das spöttische Kythen von Sporos sein: »Sie sind stockdumm und begriffsstutzig wie alle Menschen, aber immerhin hast du sie doch noch auf die Spur gebracht, Cherub.«
»Proginoskes, wenn ich bitten darf, du Mäusewesen.«
Die Farandola fand das keineswegs witzig. »Und ich heiße Sporos!«
»Meg!« Proginoskes kythete tief in ihre innersten Gedanken.
»Ist dir bewußt, was sich mittlerweile geändert hat? Herr Jenkins steht dir plötzlich sehr nahe, nicht wahr?«
»Ich glaube schon. Ja.«
»Obwohl ihr keinen räumlichen Kontakt habt. Und du weißt jetzt auch, daß dich nichts von Calvin trennen kann, wenn ihr miteinander kythet.«
Ja. Sie war bei Calvin. Sie waren beisammen. Sie konnte die Wärme seines impulsiven Lächelns spüren – eines Lächelns, das allerdings auch stets den Keim der Trauer in sich trug. Was er ihr jetzt zukythete, waren nicht Worte oder Bilder, sondern Wellen von Mut und Stärke, mit denen er sie geradezu überschüttete.
Sie nahm dankbar an – und in sich auf —, was er ihr bot. Auch Entschlossenheit. Die konnte sie besonders gut brauchen.
»Es ist soweit«, erklärte Proginoskes. »Wir sind beisammen. Wir können weitermachen.«
»Worum geht es denn jetzt?« wollte Herr Jenkins wissen.
»Um die zweite Prüfung«, erwiderte der Cherubim. »Wir müssen die zweite Prüfung bestehen.«
»Und zwar?«
»Wir müssen Sporos benennen. So, wie Meg Sie benannt hat.«
»Ich dachte, Sporos hätte schon seinen Namen?«
»Benannt ist er erst, nachdem er sich eingetieft hat.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Wenn Sporos sich eintieft, versenkt«, erklärte Proginoskes Herrn Jenkins, »wird er erwachsen. Das heißt: von diesem Zeitpunkt an wächst er heran und geht in die Ewigkeit ein. Für eine Farandola ist die Verlockung, ein vergnügungssüchtiges Kind zu bleiben, ebenso groß wie für einen Menschen oder einen Stern. Wenn wir aber die Befriedigung unserer eigenen Wünsche über alles stellen, maßen wir uns einen Platz im Zentrum des Universums an. Gewiß hat jede Fara, jeder Mensch und jeder Stern tatsächlich seinen Platz in der Schöpfung; doch nie in deren Mittelpunkt. Der bleibt dem Schöpfer selbst vorbehalten.«
»Die kleinen Farandolae, die mich gerettet haben … ?« fragte Meg.
»Wurden erwachsen und gingen in die Ewigkeit ein.«
Meg nickte nachdenklich. »Ich glaube, ich fange an zu begreifen … «
»Ich nicht«, sagte Herr Jenkins. »Ich war der Ansicht, wir seien hier, um Charles Wallace zu helfen, den seine Mitochondrien krank gemacht haben.«
Proginoskes ließ sich seine Ungeduld nicht anmerken. »Das stimmt.«
»Aber was hat Sporos mit Charles Wallace zu tun?«
»In Yadah ist das Gleichgewicht gefährdet. Wenn Sporos und die anderen Farae seiner Generation sich nicht eintiefen, gerät ganz Yadah ins Wanken. Weigern sich die Farae, Wurzeln zu fassen, verstummt der Gesang, und Charles Wallace muß sterben. Dann haben die Echthroi gewonnen.«
»Aber ein Kind«, begehrte Herr Jenkins auf, »ein einziges kleines Kind kann doch nicht so wichtig sein.«
»Es ist das Gesetz der Schöpfung, daß jeder einzelne, ob Kind oder Erwachsener, das Geschick der Welt zu bestimmen vermag. Denken Sie doch bloß an die Geschichte Ihres eigenen Planeten! Was
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