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Der Riss im Raum

Der Riss im Raum

Titel: Der Riss im Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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ist.«
    »Unsinn bleibt Unsinn!« ließ Herr Jenkins Meg in unbeholfenem Kythen wissen. Sie spürte geradezu, wie sein Verstand dagegen rebellierte, sich einer Kommunikationsform zu bedienen, für die räumliche oder zeitliche Distanz keine Rolle spielte. »Mäuse quieken und pfeifen. Garnelen … Garnelen … Nun, ich bin kein Meeresbiologe, aber irgendein Geräusch geben bestimmt auch sie von sich. Hingegen: Bäume!?« Er schnaubte unwillig. »Mäuse, die Wurzeln schlagen und sich in Bäume verwandeln … ! Du sagtest doch: »Bäume, Margaret?«
    »Nein!« Meg war ungehalten; nicht so sehr über Herrn Jenkins als über ihre eigene Unfähigkeit, sich ihm verständlich zu machen. »Die Farae sehen Bäumen ähnlich, weil sie – weil sie ebenfalls in grauer Vorzeit wie Bäume … oder wie Korallen und andere Meerespflanzen … «
    »Bäume können nicht miteinander sprechen.«
    »Farae können das. Und Bäume können es doch eigentlich auch.«
    »Unsinn!«
    »Herr Jenkins! Wenn Sie durch den Wald gehen und der Wind in den Blättern rauscht – haben Sie da nicht auch das Gefühl, daß die Bäume miteinander sprechen? Und daß es schön sein müßte, ihre Sprache zu verstehen?«
    »Nein. Dieses Gefühl hatte ich nie.« Außerdem war er seit Jahren nicht mehr im Wald spazierengegangen. Er fuhr mit dem Wagen von seiner Wohnung zur Schule, von der Schule zu seiner Wohnung. Für romantische Waldspaziergänge und dergleichen fehlte ihm einfach die Zeit …
    Sie meinte, aus seinem Kythen ein leises Bedauern herauszuspüren und versuchte rasch, ihn den Wind im Föhrenwäldchen hinter dem Haus hören zu lassen. »Wenn Sie die Augen schließen, glauben Sie plötzlich, Sie seien am Meer.«
    Von Herrn Jenkins kam nichts als ein schwabbernder Schwall Verständnislosigkeit.
    Also dachte sie sich für ihn einen kleinen Hain aus, in dem mehrere Espen standen und in der stillen, heißen Sommerluft von Blatt zu Blatt heimlich miteinander wisperten und tuschelten.
    »Ich bin zu alt«, war seine ganze Antwort. »Ich bin für solche Spiele einfach zu alt. Ich stehe euch nur im Weg. Schickt mich wieder zurück auf die Erde.«
    Meg vergaß ganz, daß sie selbst diese Bitte erst vor kurzem ausgesprochen hatte. »Aber was wollen Sie denn?« fragte sie. »Yadah befindet sich doch auf der Erde; Yadah ist gewissermaßen selbst Erde, da es sich im Inneren von Charles Wallace … «
    »Schluß! Schluß!« rief Herr Jenkins. »Das ist zuviel! Von mir dürft ihr keine Hilfe erwarten. Ich weiß nicht, was mich auf den Gedanken brachte, ich könnte … ich könnte … « Sein Kythen verstummte.
    Noch spürte Meg seine Mutlosigkeit, da meldete sich bereits Calvin. »He, Meg! Man kann auch beisammen sein, ohne zu reden. Versuche es doch einmal so mit ihm!«
    Er ließ sie ein Bild aus ihrer gemeinsamen Erinnerung sehen: Schweigend gingen Calvin und sie, nur sie beide, durch den Wald. Der Teppich aus rostbraunen Föhrennadeln dämpfte ihre Schritte. Sie gingen immer weiter, ohne ein Wort zu sagen, ohne sich an den Händen zu halten, und doch waren sie einander ganz nahe. Sie kletterten den baumbestandenen Steilhang hoch und wurden auf der Hügelkuppe von strahlendem Sonnenschein empfangen. Einige Kastanienbäume hatten ihre hellen Kerzen aufgesteckt. Lorbeersträucher drängten sich gegen den Waldrand, in so intensivem Grün, daß die Blätter gegen die strahlende Sonne schon wieder schwarz wirkten. Meg und Calvin streckten sich in das hohe, duftende Gras, lagen auf dem Rücken und blinzelten in den Himmel, vor dessen unendlicher Bläue nur vereinzelte Wolkentupfen schwammen …
    Und sie war so glücklich gewesen, erinnerte sich Meg, wie man es nur sein kann. Und sie hatte sich Calvin näher gefühlt als je einem Menschen zuvor, Charles Wallace nicht ausgenommen. So, Seite an Seite, von Wiesenklee und Butterblumen eher zusammengefaßt als getrennt, waren sie ein Ganzes gewesen und genossen den nahenden Sommer, die Sonne und ihr Beisammensein.
    Das war bestimmt die reinste Form des Kythens.
    Aber Herr Jenkins hatte wohl nie das Glück gehabt, einem Menschen zu begegnen, in dessen Gegenwart er so viel Reichtum und Erfüllung finden konnte, daß ein Schweigen mehr sagte als alle Worte.
    Calvin war rasch mit einem neuen Vorschlag bei der Hand: » Das Wall Street Journal !« rief er ihr zu.
    »Das – was?«
    »Herr Jenkins liest es regelmäßig. Vielleicht ist ihm der Artikel aufgefallen.«
    »Welcher Artikel?«
    »So erinnere dich doch! Vor einigen Wochen

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