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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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deinem verstauchten Knöchel um.“
    „Der ist eher gebrochen.“
    „Wieso das denn?“ Jonathan senkte den Blick auf Rex’ rechten Cowboystiefel. Der sah irgendwie verdreht aus. Bei der nächsten Landung beobachtete er, wie Rex den Fuß hochhielt und sein ganzes Gewicht mit dem anderen abfing.
    „Du musst anhalten, Rex. Ich bring dich erst zu Dess zurück. Du wirst dir den Fuß in Fetzen reißen!“

    „Nein. Du brauchst mich, um Jessicas Spur zu finden.“
    „Ihre Spur ?“
    „Sie riecht für mich jetzt nach Beute. Ihr anderen auch.“
    Ihr nächster Satz führte sie über einen erstarrten, offenen LKW, der mit scharfkantigen Schrottteilen hoch beladen war, eine Pause zum Nachdenken für Jonathan, bevor er antwortete.
    Rex war wirklich übergeschnappt, jetzt war er sich sicher.
    Zunächst hatte sich sein Plan vernünftig angehört, der Seher schien jedoch wild entschlossen, alles zu vermasseln.
    Bis auf den Teil, den Beth jetzt schon vermasselt hatte.
    Er gab zwischen zusammengebissenen Zähnen einen Stoßseufzer von sich und wünschte sich, er hätte Jessica nie versprochen, dass er tun würde, was Rex sagte. Anordnungen zu befolgen hieß aber nicht, dass man nicht wissen durfte, wozu sie gut waren. „Jetzt noch mal: Wozu brauchst du Jess in der Innenstadt?“
    „Blitze“, sagte Rex mit erstickter Stimme, dann schrie er auf, als ihnen der Boden entgegenkam und sie wieder auftrafen.
    Für den Rest des Weges weigerte er sich, noch ein Wort zu sagen.

beth
    12.00 Uhr nachts – lange Midnight
29
    „Beth!“, rief Jessica zum hundertsten Mal. „Wo bist du?“
    Die Höhle war hier irgendwo gewesen, das wusste sie genau.
    Aber vor drei Wochen war Jessica mit Jonathan hierher geflogen, nicht gegangen. Irgendwie war der Weg direkt unter ihren Füßen verschwunden, hatte sich in Büsche und Baumwurzeln verwandelt. Alles sah hier im Riss fremd und seltsam aus, an den Blatträndern leuchtete ein violettes und karmesinrotes Feuer.
    Sie sah auf ihre Uhr. Fast zehn Minuten waren vergangen, seit sie Melissa zurückgelassen hatte. Bald würden jüngere Darklinge näherrücken.
    Sie zog ihre Taschenlampe hervor und flüsterte deren neuen Namen Unbeugsamkeit.
    Der Strahl brandete durch den Wald und entfernte jeden violetten Schimmer aus dem Riss. Jessica hörte Bewegung über sich, einen Gleiter – oder etwas Größeres – auf der Flucht vor dem weißen Licht.
    „Beth!“, schrie sie. „Wo bist du?“
    Endlich gab es eine Antwort. Nicht in ihren Ohren, die Worte tauchten von weit her in ihren Gedanken auf.

    Nach rechts, schnell. Sie brauchen dich.
    Melissa. Der Geschmack der Gedankenleserin lag Jessica auf der Zunge – ein seltsames Gefühl, schließlich hatte sie bisher nie daran gedacht, dass Melissa irgendwie schmecken könnte.
    Aber da war er, bitter und ätzend, als wenn man auf einer Pille rumkauen würde, die man eigentlich schlucken sollte.
    Jessica fing an zu rennen, bog rechts ab, bis ein schriller Ton durch die Bäume zu ihr drang. Sie stürzte auf den Ton zu, kümmerte sich nicht um Zweige, die an ihr Gesicht und ihre Kleider peitschten. Der Riss hatte die Luft von den schwebenden Regentropfen befreit, aber die Bäume hingen immer noch voller Wasser – Kübel, die sich über ihr leerten, während sie sich einen Weg bahnte.
    Noch ein Schrei ertönte über ihrem Kopf. Dicht darüber.
    Sie tauchte an einer bekannten Lichtung auf, sah den Steinfinger, der in die Luft ragte, dann kam sie taumelnd zum Stehen, mit großen Augen. Ein Wesen hatte sich über den Eingang der Höhle gelegt, wie eine fette Qualle über ihr Opfer, deren Tentakel im Stein verschwanden. Das Wesen hatte keinen Kopf, soweit Jessica erkennen konnte, nur einen wirren Knoten aus fadenartigen Fortsätzen, fest zusammengeknäult wie Haare im Abfluss der Badewanne.
    Eine kleine, menschliche Gestalt stand direkt im Eingang, blass und zitternd, Arme und Beine mit den Tentakeln des Wesens umwickelt.
    Jessica rannte darauf zu, das weiße Licht von Unbeugsamkeit auf das Wesen gerichtet.
    Seine Tentakel gingen aber nicht in Flammen auf. Sie fauchten stattdessen verärgert ein blaues Feuer und zogen sich fester zusammen.
    Rex hatte sie gewarnt, dass sie heute Nacht neue Wesen sehen könnten, Wesen, die lange vor der Erschaffung der Midnight geboren waren, so alt, dass sie mit weißem Licht allein nicht erlegt werden könnten.
    Wenn das der Fall war, hatte er gesagt, blieb immer noch Feuer.
    Jessica zog die Autobahnfackel aus ihrer Tasche, brach sie

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