Der Riss
Kauf nehmen, um uns aufzuhalten, dann sollten wir uns lieber beeilen.“
Ihr Instinkt übernahm, als sie sanken. Jessica drehte sich mitten in der Luft, um sich für den letzten Sprung zur Felsenspitze zu orientieren. Sie landeten im hohen Gras und sprangen ohne Pause weiter.
Wieder erhoben sie sich über die Bäume, und Jessica entdeckte zwei winzige Gestalten, die vor einer Spalte in dem Felsen beieinanderstanden. „Das sind sie!“
„Sie sehen so aus, als ob sie zusammengehören würden“, sagte Jonathan leise. „Sind da unten irgendwelche Gleiter?“
„Augen zu.“
Sie schaltete die Lampe wieder ein, ließ sie über die kleine Lichtung schweifen, über die Steine und die Baumwipfel.
Nichts ging in Flammen auf, nirgendwo wimmelten kreischende Gleiter aus dem Unterholz. Jessica entging jedoch nicht, dass Rex’ Augen purpurn aufleuchteten, als er aufsah.
Dann wandte er sich ab, und selbst aus der Luft war sein schmerzverzerrtes Gesicht zu erkennen.
„Huch.“ Jessica schaltete die Lampe aus. „Okay, du kannst jetzt gucken, Jonathan. Wir landen in fünf, vier … “
Sie kamen sanft in dem dicken Gras auf, etwa drei Meter neben Rex und dem kleinen, schmächtigen Mädchen, das sich an seinen Arm klammerte. Sie war etwa so alt wie Beth, trug ein abgetragenes Sweatshirt und eine Pyjamahose. Mit großen Augen starrte sie Jonathan und Jessica an. Vermutlich hatte sie sich heute Nacht schon häufiger gewundert, und jetzt flogen auch noch zwei Leute Hand in Hand durch die Gegend.
„Geht es dir gut?“, fragte Jonathan.
„Entschuldige, dass ich dich geblendet habe, Rex“, sagte Jessica.
Mit immer noch zitternden Händen vor den Augen antwortete Rex: „Macht nichts. Hat mir den Kopf frei geräumt. Ihr seid gerade rechtzeitig angekommen.“
Jessica zog eine Augenbraue hoch und fragte sich, was das heißen sollte. Es waren keine Gleiter mehr da. Warum hatten die sich grillen lassen, nur um sie noch eine Minute aufzuhalten?
Jonathan ließ Jessicas Hand los und ging zu dem Mädchen.
„Cassie, nicht wahr?“
Sie nickte stumm.
„Ich bin Jonathan. Aua, dein Ellenbogen hat wohl was abgekriegt, oder?“
Cassie besah sich die rote Stelle, dann deutete sie in die Höhle. „Hab mich dadrin gestoßen. Aber sieh dir nur mal meinen Knöchel an.“ Sie zog ein Hosenbein hoch, unter dem die dunkle Wunde von einem Gleiterbiss zum Vorschein kam.
Jessica verzog das Gesicht, wobei sie ihre Hand schüttelte, die von den eisigen Nadeln immer noch kribbelte.
„Aua!“, meinte Jonathan. „Ich hasse Schlangen.“
„Nein, das war die blöde Katze.“
Jonathan warf Jessica einen Blick zu.
Sie erinnerte sich an jene Nacht, bei ihrem zweiten Besuch in der geheimen Stunde, als die schwarze Gleiterkatze sich vor ihren entsetzten Augen in eine Schlange verwandelt hatte.
Dann war ein weiteres Dutzend Gleiter aufgetaucht, zusammen mit einem Darkling in der Gestalt eines Riesenpanthers.
Und dann kam die größte Überraschung von allem: Es stellte sich heraus, dass das ganze kein Traum war, sondern eine komplett neue Realität, die sich vor ihr auftat.
Jessica runzelte die Stirn. Am Telefon hatte niemand ihr gegenüber erwähnt, was passieren sollte, nachdem sie Cassie aus der blauen Zeit erlöst hatten. Wie sollte sie sie davon abhalten, alles in der ganzen Stadt herauszuplappern?
Na klar, die Antwort lag auf der Hand. Melissa würde sich in den Verstand des jungen Mädchens einschleichen und dort auslöschen, was hier passiert war. Das hatte sie bereits mehr als einmal getan – mit Jessicas Eltern vermutlich auch. Und als Melissas Talent noch jung und ungebildet gewesen war, hatte sie sich den Weg in das Gehirn von Rex’ Vater erzwungen.
Seitdem war der alte Kerl ziemlich durchgedreht. Bei dem Gedanken an seine milchigen, leeren Augen lief es Jessica erneut kalt den Rücken hinunter.
Vielleicht musste es aber gar nicht so sein.
„Das ist ein ziemlich bescheuerter Traum, was?“, sagte sie zu dem Mädchen und rieb sich die Hand mit dem Gleiterbiss.
Jonathan zog eine Augenbraue hoch, und sogar Rex, der immer noch ziemlich durcheinander aussah, gab einen kurzen Lacher von sich.
„Was denn?“ Jessica zuckte mit den Schultern. „Ich sag doch bloß, wie das mit Albträumen so ist. Dieser gehört zu der verrückten Sorte, stimmt’s, Cassie?“
Der benommen verwirrte Ausdruck verschwand allmählich aus dem Gesicht des Mädchens, als sie nachdenklich wurde.
„Also, irgendwie habe ich mich gefragt: Was geht
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