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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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betrachtet, macht der 31. Oktober erst mal nicht viel her. Die Summe ist einundvierzig, multipliziert kommt dreihundertzehn raus. Da stecken keine relevanten Zahlen drin. In früheren Zeiten war Oktober aber nicht der zehnte, sondern der achte Monat. Oktober, wie ein Oktagon, mit acht Seiten, versteht ihr?“ Sie sahen sie alle mit leeren Gesichtern an, und Dess unterdrückte ein Stöhnen. Beim nächsten Mal würde sie ganz sicher visuelle Hilfen einsetzen. „Kommt schon, Leute.
    Der achte Monat? Der einunddreißigste Tag? Und acht plus einunddreißig ist …?“
    „Neununddreißig?“, sagte Jessica.
    „Das Mädel kriegt den Preis.“
    „Moment mal, Dess“, sagte Flyboy. „Ich dachte, neununddreißig wäre die totale Anti darklingzahl. Wie all die Namen mit den neununddreißig Buchstaben.“
    „Schwärmerisch Mathematische Zahlenkolonne“, erklärte Dess. „Ein unbedingter Klassiker. Und stimmt, die Zahl neununddreißig ist absolut darklingfeindlich. Das wahre Problem ist der Tag danach.“
    „Ist da nicht Allerheiligen?“, fragte Jonathan.
    Dess schnaubte wütend. Hier ging es nicht um Geister oder Heilige, hier ging es um Zahlen. „Weiß nicht. Ist auch egal.“
    Melissa legte ihre Finger an die Schläfen. „Wartet mal, Leute.“
    Dess ignorierte sie. „Aber der erste November, das ist in der heutigen Zeit der erste Tag … “
    „Leute!“, rief Melissa.
    Sie schwiegen alle für einen Moment, und Dess kam es so vor, als ob das Stimmengewirr in der Cafeteria für kurze Zeit leiser wurde, als ob ein kühler Luftzug durch den Raum streichen würde. In ihren Fingerspitzen kribbelte es, und ein Nervenkitzel bahnte sich seinen Weg bis in ihre Magengrube.
    „Da kommt was“, flüsterte Melissa.
    Als die Worte der Gedankenleserin über die Lippen kamen, ging ein Beben durch den Raum, das Ruckeln der Erde, die auf ihrer Bahn anhielt. Ganz plötzlich wurde das Gebrüll in der Cafeteria aufgesogen und ließ die fünf inmitten von fast zweihundert Erstarrten zurück, mit blauen und kalten und wächsernen Gesichtern, ertappt, während sie mit Essen um sich warfen, in den Nasen pulten und mit offenen Mündern kauten.
    „Wie spät ist es, Rex?“ Dess hörte ihre eigene Stimme, die sich in der plötzlichen, unheimlichen Stille klein anhörte.
    Rex sah auf seine Uhr. „Zwölf Uhr einundzwanzig und fünfzehn Sekunden.“
    Dess schrieb die Zahl auf und starrte sie an, während sie sich fragte, wie lange es diesmal dauern würde.

    Jonathan hüpfte schwerelos von seinem Stuhl. „Cool, noch so eine.“
    „Was sollen wir tun?“, fragte Jessica leise.
    „Wir bleiben einfach hier sitzen“, sagte Rex. „Wir warten es ab. Und komm runter , Jonathan!“
    „Warum?“, antwortete Jonathan. „Von hier kann ich fallen, ohne Probleme.“
    „Überall sind Leute, Jonathan. Wenn du irgendwo hinfliegst und die blaue Zeit aufhört, dann sehen sie dich verschwinden.“
    „Komm schon, Jonathan.“ Jessica streckte einen Arm aus und ergriff seine Hand. „Wenn die Welt aufhört, bleibt reichlich Zeit zum Fliegen.“
    „Also gut, wie ihr wollt.“ Jonathan seufzte und sank auf seinen Stuhl zurück, wie ein Ballon, der Luft verliert.
    Eine Weile sagte niemand etwas. Dess’ Augen starrten wie gebannt auf Rex’ Tablett, auf dem das Essen während der Diskussion ohnehin schon dem Erstarrungsprozess ausgesetzt worden war. Mit der wächsernen Oberfläche der blauen Zeit sah es noch unappetitlicher aus, vor allem der blau leuchtende Pudding, der nicht mehr wackelte.
    Melissa hielt den Kopf zurückgelegt und schmeckte nach Herzenslust in der Luft, und diesmal war Dess froh über die Anwesenheit der Gedankenleserin. Wenigstens würden sie wissen, wenn eine Darklingtruppe unterwegs war.
    Natürlich war das nicht der Weltuntergang, noch nicht. Das sah man auf den ersten Blick. Wenn die geheime Stunde ganz zugeschnappt wäre, dann würden sich all die Erstarrten noch bewegen, da sie mit allem anderen im Umkreis von hundert Meilen in die blaue Zeit hineingesogen worden wären.
    Dess brauchte keine Berechnungen, um zu wissen, was dabei herauskommen würde. All die Räuber würden plötzlich aus ihren mitternächtlichen Kerkern entkommen, auf ihre Beute losgelassen – Millionen von Leuten, wenn sich die blaue Zeit tatsächlich über dem ganzen Land ausbreiten würde. Keine Telefone, keine Autos, nicht einmal Feuer, und nur die fünf Midnighter wüssten, wie sie sich verteidigen konnten.
    Dess betrachtete eine Pommeskonstellation, die

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