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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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„Glaube ich.“
    Die anderen drei starrten sie an, und Jessica rechnete damit, dass einer von ihnen brüllen würde: Und wen interessiert das, was du denkst? Als sich das Schweigen dann aber in die Länge zog, spürte sie, wie sich innerhalb der Gruppe etwas veränderte. Selbst Melissas manische Energie schien ein bisschen nachzulassen, wie bei einem Kind, auf dessen Wutanfall niemand reagierte.
    Jessica verschränkte die Arme. Offensichtlich interessierte sich doch jemand dafür, was sie dachte.
    Nach einer ganzen Weile sagte Dess leise: „Ich will das ja nur verstehen. Ich blute hier oben. Ein paar Zentimeter tiefer, und das Psychokätzchen hätte mir ein Auge ausgekratzt. Und wir wollen bloß mit ihr reden, was beinhalten würde, dass wir das auch einfach mit einem einfachen Telefonat hätten erledigen können?“
    „Wobei mein Auto möglicherweise weniger demoliert worden wäre?“, ergänzte Melissa.
    „Nicht ganz“, antwortete Rex. „Wenn sie hier vor uns steht, können wir sicherstellen, dass Angie nicht lügt. Ich glaube ihr, aber ihr anderen müsst ebenfalls sicher sein.“ Er lachte kurz auf. „Und, ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass das am Telefon funktioniert hätte. Manchmal hilft ein bisschen geteilte Gefahr.“
    „Na dann, schön, dass ihr beiden mein Auto zerklatscht habt“, sagte Melissa. „Solange du dir nur sicher warst.“
    „Nein, nein.“ Rex schüttelte müde den Kopf. „Ich bin mir erst da draußen sicher geworden. Angie ist nur verwirrt.“
    „Verwirrt!“ Melissa schnaubte. „Sie ist eine Kidnapperin, Rex. Sie sollte für immer im Knast sitzen! Und ihr soll nichts geschehen?“
    Er grinste, seine Augen blitzten im dunklen Mondlicht auf.
    „Das hab ich nicht gesagt.“

    Als der dunkle Mond unterging, strich echte Zeit über die Wüste, mit der plötzlich der kalte Herbstwind zurückkehrte.
    Rex neben Jessica zuckte kurz, wie ein Teller, unter dem man das Tischtuch wegzieht – als ob er nicht mehr in die normale Zeit gehören würde.
    Er hatte sich geweigert, ihre Fragen nach den Geschehnissen draußen in der Wüste zu beantworten, und behauptet, er könne sich nicht erinnern. Jedenfalls jetzt noch nicht.
    Mit dem Moment, als Angies Gesicht zum Leben erwachte, flackerten Gefühle darüber hinweg wie über einen Fernseher beim Zappen: Verwirrung, Angst, Misstrauen und schließlich noch viel mehr Verwirrung. Sie berührte vorsichtig ihren Kopf mit den Fingerspitzen, als ob sie sichergehen wollte, dass ihr um Mitternacht nicht die Ohren abgefallen waren.
    Zu fünft standen sie in einer Reihe vor dem Wagen, mit verschränkten Armen – ähnlich einer Band, die für ein Plattencover posiert, dachte Jessica. Sogar die immer noch brodelnde Melissa hatte beschlossen, sich zu ihnen zu stellen, als ihr bewusst geworden war, dass dieses kleine Überraschungsmoment ihre einzige Chance werden würde, sich an Angie zu rächen.
    Die Augen der Frau weiteten sich, als sie sie hinter der Windschutzscheibe erblickte.
    „Steig schon aus“, rief Rex. „Reden wir.“
    Angie zog sich langsam aus dem zerbeulten Ford und blieb vor ihnen stehen, die offene Wagentür hielt sie sich wie ein Schutzschild vor den Körper.
    „Mann“, sagte sie leise.
    Jessica vermutete, dass Leute, die aus dem Nichts auftauchten, wesentlich beeindruckender waren, als ein paar hüpfende Dominosteine.
    „Wie geht’s deinem Verstand?“, fragte Rex. „Fühlst du dich noch wie du selbst?“
    Angie brütete einen Moment über der Frage, dann zog sie die Schultern hoch. „Kann schon sein.“
    „Als ob ich mir an deinem ekligen kleinen Hirn die Finger schmutzig machen würde“, sagte Melissa.
    Jessica sah sie von der Seite an. Total gelogen.
    „Reden wir also über die Geschichte von Bixby“, sagte Rex.
    „Ich dachte, das hätten wir schon hinter uns.“
    „Vielleicht will ich das alles noch einmal hören.“ Er klopfte Melissa auf die Schulter. „Und diesmal kann ich mir sicher sein, wenn du die Wahrheit erzählst. Oder wenigstens, wenn du glaubst, du würdest die Wahrheit erzählen.“
    „Das ist alles wahr“, sagte Angie. „Ich kann euch die Dokumente zeigen.“
    „Erzähl einfach“, sagte Rex.
    Angie nickte und fing an, ihnen von den früheren Midnightern zu erzählen, vom Aufstand der Grayfoots, und alles über die andere geheime Geschichte von Bixby. Sie fing langsam und leise an, der verblüffte Ausdruck auf ihrem Gesicht über das plötzliche Auftauchen der anderen verschwand erst allmählich.

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