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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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annahm.
    „Na klar“, sagte sie laut.
    „Was ist klar?“, rief Rex.
    Dess winkte ab. Sie konnte es jetzt sehen – so offensichtlich, dass sie sich gern an die Stirn geschlagen hätte, weil sie es vorher nicht bemerkt hatte. Bis jetzt hatte sie vermutet, der Riss würde sich wie das Universum ausbreiten – eine große, fette Blase, ein Raum. Wenn er aber stattdessen lang und schmal war?
    Der Riss verlief in zwei Richtungen, an einer einzigen Achse entlang, genau wie ein echter Riss in einem Stück Stoff. Was befand sich aber an jedem Ende?
    Dess rief sich die Karte des Landes vor Augen, die sie im Kopf hatte, und wusste auf Anhieb, was los war und warum dieser gottverlassene Flecken genau in der Mitte des Risses lag.
    Jenks lag auf halbem Wege nach Nirgendwo, genau in der Mitte zwischen dem Stadtzentrum und der tiefsten Wüste.
    Die blaue Zeit öffnete sich lang und gerade, wie eine Art Darklingautobahn, ein Kanal zwischen Räubern und Beute.
    Im Westen führte er in die Berge, wo die ältesten Geister lebten, jene, die seit Jahrtausenden nichts Gescheites mehr gefressen hatten. Und zur gleichen Zeit wanderte der Riss nach Osten, genau auf die bevölkerte Mitte von Bixbys Innenstadt zu.
    „Dess?“, fragte Rex. Enttäuschung schwang in seiner Stimme mit.
    Sie antwortete immer noch nicht. Sollte er doch wieder seine Angstmaske aufsetzen.
    Mit geschlossenen Augen lief Dess in Gedanken die Schienen entlang und rief sich die Bilder des Drahtgitterglobus vor Augen, den Melissa ihr übergeben hatte.
    Was würde passieren, wenn der Riss einfach jedes Jahr weiter wachsen würde, wie eine brennende Leitung, die immer an Halloween über das Land sauste?
    Er teilte sich an Bixbys schicksalsträchtigem sechsunddreißigsten Breitengrad entlang. Diese Linie führte im Osten nach Broken Arrow, weshalb die Grayfoots evakuierten. Dann flitzte er durch etliche kleine und mittelgroße Städte weiter, bis er irgendwann in Nashville ankam, das genau bei sechsunddreißig Grad und zehn Minuten lag. Von da aus würde er weitergehen und Charlotte in North Carolina auf fünfunddreißig Grad und vierzehn Minuten schlucken. Westwärts würde der Riss mitten durch die Innenstadt von Las Vegas kreuzen, deren Zentrum genau auf sechsunddreißig Grad und elf Minuten lag. Und würde hundert Meilen weiter nördlich von Opa Grayfoots neuer Behausung an L.A. vorbeikommen.
    „Dess?“, rief Rex. „Was ist es?“
    „Vielleicht können wir mehr Leute retten, als du glaubst, Rex. Oder die Darklinge wenigstens so lange aufhalten, bis wir Bixby organisiert haben.“
    Er kam zu ihr hinübergelaufen, seine violetten Augen blitzend, ein Lächeln auf dem Gesicht. Plötzlich wusste sie, dass er die Sache von Anfang an so geplant hatte – Dess so früh aus dem Bett zu scheuchen, dass sie zu müde war, um sich gegen Melissas Berührung zu wehren.
    Na, hatte ja funktioniert.
    „Wie machen wir es?“
    „Wir müssen zwei große Freudenfeuer aufbauen – oder noch besser: Feuerwerksinstallationen. Mit der hier draußen werden wir sie abfüllen, so lange wir können.“
    „Abfüllen?“
    „Genau. Der Riss wird sich lang und schmal ausbreiten, Rex, wie eine Straße. Sie führt genau hier durch, direkt aus den Bergen auf die Innenstadt zu. Wenn wir sie in Jenks eine Weile aufhalten, könnten wir Zeit haben, die Leute in Bixby zu organisieren.“
    Als Rex den Weg an den Schienen entlang auf die Berge zu mit den Augen verfolgte, sah er nachdenklich aus, als würde er sich zu den zahlenlosen Darklingberechnungen in seinem Gedächtnis Zugang verschaffen. „Stimmt. Kann sein, dass du recht hast.“
    Dann bebte die Erde – der dunkle Mond fiel wie ein Stein, die rot getönte blaue Zeit verschwand –, und die Kälte umfing Dess und fuhr ihr in die Knochen. Sie zitterte vor Aufregung.
    Sie wussten einen Weg, wie sie die Darklinge aufhalten konnten … wenigstens eine Weile. Vielleicht könnten sie den Einwohnern von Bixby Zeit verschaffen, damit sie verstanden, was vor sich ging, und eine Chance bekamen, zu kämpfen und ihre Nacht in der Hölle zu überleben. Vielleicht mussten Menschen doch nicht zu tausenden sterben.
    Über Dess’ Kopf wurde die Rakete plötzlich aus der erstarrten Zeit befreit. Sie schoss weiter in den Himmel hinauf, wo sie mit einem leisen Bäng explodierte.

schlummerparty
    12.00 Uhr nachts
23
    Geräusche kamen aus dem Computerladen, Metall fiel scheppernd zu Boden, und Millionen kleiner Teilchen zersprangen.
    „Mann, Flyboy“, rief Dess

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