Der Ritter von Rosecliff
hörte sie tief Luft holen. Sie war genauso nervös wie er, was ihn tröstete und ihm half, alle anderen Gefühle hinter einer Fassade von Ärger zu verbergen.
»Was willst du, Rhonwen? Ich warne dich - es gibt so gut wie nichts, was ich von dir hören will.«
Rhonwen betrachtete seinen steifen Rücken. Sie hatte ihn grausam verletzt und er hasste sie dafür. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück, trat jedoch nicht den Rückzug an. »Es ... es tut mir Leid«, flüsterte sie. »Es tut mir sehr leid, dass die Beziehung zwischen uns nicht anders sein kann.«
Jasper stellte seinen Becher hin, und sie griff nach dem Krug am Ende des Tisches, schenkte ihm ein und füllte auch für sich einen Becher. Sollte sie sich neben ihn setzen oder lieber ihm gegenüber Platz nehmen?
Vielleicht sollte sie einfach gehen. Vielleicht war das alles eine absurde Idee gewesen.
Sie war nahe daran wegzurennen, als er langsam den Kopf -nach ihr umdrehte. Sein Gesicht war ausdruckslos.
Er hasste sie!
Dann trafen sich ihre Blicke, und sie sah den Schmerz in seinen Augen. Nur für Sekunden, und vielleicht hatte sie sich getäuscht. Vielleicht hatte sich nur die Laterne in seinen Augen gespiegelt und diesen Eindruck erzeugt. Aber wenn es doch Schmerz gewesen war ...
»Ich konnte diesen Tag nicht beenden, ohne Euch noch einmal zu sehen«, murmelte Rhonwen und trat etwas näher an ihn heran.
»Warum?«
Sie wollte ehrlich sein. Sie musste ehrlich sein. Aber sie konnte ihm nur einen Teil der Wahrheit anvertrauen. »Ich ... ich habe über ... über Euren Antrag nachgedacht.« Das stimmte, - sie hatte den ganzen Tag an wenig anderes gedacht.
Seine Augen wurden schmal. »Bist du hergekommen, weil du deine Meinung geändert hast?«
Fast hätte sie laut Ja gerufen. Eine Flutwelle von Gefühlen schwappte über sie hinweg. Sie schluckte hart. »Ich bin hergekommen, um festzustellen, wie stark das Band zwischen uns ist.«
Er schwieg sehr lange. »Es ist sehr stark«, sagte er endlich mit heiserer Stimme.
Seine rechte Hand lag auf dem Tisch, braun gebrannt, sehnig. Der kleine Finger fehlte. Wer hätte an jenem schrecklichen Tag vor so vielen Jahren denken können, dass sie sich so nahe kommen würden? Rhonwens Herz klopfte vor Angst und verzweifelter Sehnsucht als sie ihre Hand auf seine legte. Er drehte seine Hand um und verschlang seine Finger mit ihren. Da wusste sie, dass er sie liebte wie sie ihn.
»Sehr stark«, wiederholte Jasper und schaute ihr tief in die Augen.
Rhonwen war viel zu überwältigt von ihren Gefühlen, um sprechen zu können. Sie führte die verschlungenen Hände an ihre Lippen und küsste seine Knöchel, einen nach dem anderen.
Jasper stöhnte und zog sie auf seinen Schoß. Der Damm war gebrochen ...
Eine gigantische Flutwelle erfasste sie beide, als lang aufgestaute Sehnsüchte und Leidenschaften sich endlich ungezügelt Bahn brachen. Die Vergangenheit versank in diesen Fluten, die Zukunft existierte nicht. Nur die Gegenwart zählte.
»Rhonwen ... Rhonwen!« Zwischen einem Regen von Küssen flüsterte Jasper immer wieder ihren Namen. Sie lag in seinen Armen, die Arme eng um seinen Hals geschlungen, und erwiderte seine heißen Küsse. In dieser Nacht gehörte er ihr, und sie würde sich diesen herrlichen Moment nicht durch Gedanken an den Morgen verderben. Er wollte sie heiraten; sie hätte ihn nur zu gern geheiratet. Dass es nicht möglich war, spielte keine Rolle. Sie würde jede Sekunde der kurzen Stunden voll auskosten, um sich dann ein Leben lang daran erinnern zu können.
Jasper stand auf, ohne sie aus den Armen zu lassen. Der Stuhl krachte nach hinten, aber sie nahmen es kaum wahr. Er öffnete die Tür mit einem Fußtritt und trug Rhonwen über den dunklen Hof. Sie ruhte an seiner Brust, ihre langen Haare fielen über seine Schulter, sie hörte nur seinen lauten Herzschlag und das Knirschen seiner Stiefel auf dem Kies, sie sah nur ihn. Der Rest der Welt war versunken ...
Er nahm auf der Hintertreppe zwei Stufen auf einmal, und als sie sein Zimmer erreichten - als er die Tür mit dem Absatz schloss und sie noch fester an sich drückte -, hatte Rhonwen das Gefühl, im Paradies gelandet zu sein.
»Ich hätte nicht zu hoffen gewagt ... « Jasper verstummte und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.
Tränen brannten in Rhonwens Augen. Sie belog ihn. Mit jedem Kuss, jeder Liebkosung belog sie ihn. Er glaubte, sie hätte ihre Meinung geändert und würde ihn heiraten. Er wusste nicht dass sie in dieser
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