Der Ritter von Rosecliff
Probleme, die ich nicht bewältigen kann. Bitte grüß Isolde, Gavin und Gwendolyn von mir …
Ihre Schrift war sehr unbeholfen, aber Josselyn würde das Gekritzel schon entziffern. Impulsiv tauchte sie die Feder noch einmal ins Tintenfass und fügte hinzu: ... und grüß auch Jasper. Dann setzte sie ihren Namen unter das kurze Schreiben und ließ es auf dem Schreibtisch liegen. Am nächsten Morgen würde es dort gefunden werden. Wie Josselyn und Jasper auf die Neuigkeit reagieren würden - daran durfte sie jetzt nicht denken, sonst käme sie eventuell in Versuchung, doch in Rosecliffe zu bleiben, und das wäre fatal. Sie musste fort, es gab keinen anderen Ausweg ...
Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, während sie über den leeren Hof zur Küche huschte. Lieber Gott, lass das Tor nicht verschlossen sein! betete sie inbrünstig.
»... wenn er mich bittet ... «
»Ah, Gert das tut er bestimmt«, sagte eine andere Frauenstimme.
Rhonwen blieb neben der Küche stehen und presste eine Hand auf die Brust. Seit wann war sie so schreckhaft? Das waren doch nur zwei Mägde, die sich unterhielten, während sie die Küche putzten.
»Du weißt doch, wie Männer sind«, fuhr die Frau namens Gert fort. »Für die ist eine Fotze wie die andere! Aber ich bin ein geduldiges Mädchen ... «
Rhonwen fühlte sich abgestoßen von der derben Sprache, aber im Grunde hatte diese Gert wohl Recht: den meisten Männern war es egal, mit welcher Frau sie schliefen' Hauptsache, sie konnten ihre Begierde befriedigen. Jasper gehörte zu dieser Kategorie, wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte. Er vernaschte jedes halbwegs reizvolle weibliche Wesen, das ihm über den Weg lief.
Trotzdem hatte er ihr das Gefühl gegeben, als sei sie etwas ganz Besonderes, etwas Einmaliges - die einzige Frau, an der ihm etwas lag. Sie schüttelte den Kopf. Es war einfach ein Talent das er besaß, und wahrscheinlich hatte er nicht zuletzt deshalb so viel Erfolg beim weiblichen Geschlecht.
Aber wie vielen Frauen hatte er einen Heiratsantrag gemacht?
Sie blieb neben den leeren Fässern vor dem schmalen Gang zum hinteren Tor wie angewurzelt stehen, als dieser Gedanke sie überfiel. Jasper hatte sie gebeten, ihn zu heiraten, und ihr war plötzlich klar, dass dies der erste Heiratsantrag seines Lebens gewesen war. Andernfalls wäre er längst verheiratet denn keine Frau in Rosecliffe oder Carreg Du hätte einen so attraktiven Mann, der zudem noch der Bruder des mächtigen Randulf Fitz Hugh war, abgewiesen.
So töricht wäre keine Frau - nur Rhonwen.
Sie presste ihre Stirn an eines der Fässer. Die Holzdauben waren rau und kühl. Beging sie einen schrecklichen Fehler? Sollte sie Jasper heiraten?
Aber was wurde dann aus Rhys und seinem unseligen Plan, die Burg zusammen mit Lamonthe anzugreifen? Sie konnte Rhys nicht verraten.
Vielleicht könnte sie ihn zur Vernunft bringen?
Sie verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Rhys war nicht zur Vernunft zu bringen, wenn es um die Präsenz der Engländer in Wales und speziell in Rosecliffe ging. Dazu hasste er die Brüder Fitz Hugh viel zu sehr. Nein, es war aussichtslos. Sie konnte Rhys nicht umstimmen, und sie konnte Jasper nicht heiraten. Ihr blieb keine andere Wahl als sich irgendwo in der Fremde ein neues Leben aufzubauen.
»Habt ihr hier vielleicht noch ein paar Reste, um einen hungrigen Mann zu füttern?«
Das war Jaspers Stimme! Rhonwen duckte sich hastig hinter den Fässern. Hatte er sie gesehen? Nein, er redete mit den Mägden in der Küche!
»Oh, Sir Jasper! Ihr habt uns ganz schön erschreckt!«
»Natürlich haben wir etwas für Euch - alles was Ihr wollt Mylord!«
Er betrat die Küche, aber Rhonwen traute sich nicht aus ihrem Versteck hervor. Welch ein Glück, dass er sie nicht entdeckt hatte! Das verdankte sie vermutlich dieser Gert mit ihrem großzügigen Angebot: alles was Ihr wollt! Damit war natürlich nicht nur Essen gemeint ...
»Mir genügt ein Kanten Brot und ein Stück Käse«, hörte sie Jasper sagen.
»So bescheiden, Mylord? Ich hole Euch gern Fleisch und Sauce aus der Halle.«
»Nein, nicht nötig.«
Warum hatte er nicht in der Halle gegessen? Aus Angst ihr dort zu begegnen? Konnte er ihren Anblick nicht mehr ertragen?
Eine Welle glühenden Verlangens schwappte über sie hinweg und raubte ihr den Atem. Noch ein einziges Mal ... geh zu ihm und erleb noch ein einziges Mal den Gipfel der Lust! Dann nimmst du wenigstens köstliche Erinnerungen mit ... und mit etwas Glück auch eine
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