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Der rollende Galgen

Der rollende Galgen

Titel: Der rollende Galgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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angehört wie die Glieder einer Kette. Dieses Geräusch war gleichzeitig ein Zeichen. Gleich drei Bewohnerzogen ihre Messer.
    Wir waren schneller. Bevor sie die Klingen überhaupt hochbekamen, hielten wir bereits unsere Dienstwaffen in den Händen. Abe Douglas, der sich zusammenriß, kannte den New Yorker Polizeialltag am besten. Er fischte sich den größten und breitschultrigsten Mann heraus und zielte zwischen dessen Augen.
    »Ich treffe auch dann, wenn es dunkel ist!« warnte er. »Also laß den Zahnstocher fallen.«
    »Ich…«
    »Laß ihn fallen.« Abe zog durch. Überlaut hallte der Schuß, sein Echo wetterte über die kahlen Wände. Die Kugel war dicht neben dem rechten Ohr des Messerhelden in die Wand geschlagen, wo sie einen kleinen Krater riß, aus dem der Staub dem Helden ins Gesicht stäubte. Jetzt ließ er die Klinge los.
    »Und ihr anderen auch!« sagte Abe, trat einen halben Schritt zurück, wobei ersieh drehte und sein 38er einen Halbbogen beschrieb. Diese Sprache verstanden sie. Zudem war sie international. Keiner wollte als nächster eine Kugel bekommen. Sie traten zur Seite und ließen die Klingen aus den Händen rutschen.
    Es klirrte, als die Mordinstrumente den Steinboden trafen. Der Weg zum Ausgang war frei.
    »Und einer von euch wird jetzt die Tür öffnen«, erklärte Douglas. Diesmal sprach er lockerer.
    Gleich zu dritt kamen sie seiner Aufforderung nach. Wir konnten gehen. Abe deckte uns noch den Rücken. Auch Joseph verließ das Haus, verfolgt von den finsteren Blicken der Mitbewohner. Er nahm sie trotzdem in Schutz. »Ihr müßt nicht denken, daß sie alle schlecht sind. Es gibt Gute und Miese unter ihnen, wie auch bei anderen Menschen. Es sind eben die Zustände, die sie in diese Rollen hineingezwungen haben.«
    »Klar, Jo«, sagte Douglas Lind verzog das Gesicht. Er spürte wieder etwas von den Nachwirkungen des Treffers. »Wir sagen auch nichts, kannst dich darauf verlassen.«
    Ich hatte vorgehabt, tief durchzuatmen, doch im Freien war die Luft auch nicht besser. Sie stand wie eingegossen zwischen den Hauswänden, und nichts regte sich. »Wohin jetzt?« fragte Suko.
    »In die Nähe des Washington Square.«
    »Woher weißt du das?«
    Joseph hob die Schultern. »Das kann ich euch sagen. Damals hat sich dort die Hinrichtungsstätte befunden. Da wurden sie gehängt. Begraben aber hat man sie weiter südlich. Eben dort, wo jetzt unser Haus steht.«
    »Wir könnten meinen Wagen nehmen«, sagte Abe.
    »Wo steht er?«
    »Nicht weit weg, kommt.«
    Wir liefen durch die Schwüle. Selbst das Licht der vereinzelt leuchtenden Laternen kam mir irgendwie weich und schummrig vor. Alles wirkte unnatürlich, als würde die Luft direkt an den Hauswänden kleben. Abe schloß auf, danach stützte er sich am Wagendach ab. »Verdammt, mein Kopf.«
    »Ich fahre«, entschied ich.
    »Okay.« Der G-man nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Suko und Joseph hockten im Fond.
    Als ich startete, hatte ich kein gutes Gefühl. Ebenso wie Abe Douglas.
    »Was ist, wenn uns der Galgen entgegenkommt?«
    »Dann müssen wir stoppen.«
    Im Fond lachte Joseph krächzend auf. »Glaubt nur nicht, daß es einfach sein wird. Glaubt es nicht…«
    ***
    William Penn stand auf den Bohlen des fahrbaren Galgengerüsts und hatte das Gefühl, im Meer zu versinken. Er dachte nicht mehr an seine Kamera, denn die Gestalten, die er vor einigen Tagen noch aus sicherer Entfernung geknipst hatte, standen nun direkt und beinahe zum Greifen nahe vor ihm.
    Iis waren Menschen und gleichzeitig Wesen. Bekleidet mit den Lendenschurzen, dabei barfüßig. Die halblangen, dunklen Haare hingen in Strähnen von ihren Köpfen.
    Der Galgen wirkte wie eine kleine Insel inmitten des Nebels. Als hätten sie Angst davor, über das alte Holz zu kriechen, so hielten sie sich zurück.
    Die Sicht war gut.
    Leider, denn Penn brauchte nur in die ausdruckslosen Gesichter zu schauen, um erkennen zu können, was ihm blühte. In den Augen las er keinen Funken von Gefühl. Sie wirkten matt und doch irgendwo glänzend, als wüßten die Gestalten genau, daß ihnen das Opfer nicht entkommen konnte.
    Die Gänsehaut blieb, das Herz schlug schneller als normal. Penn spürte den Druck hinter den Augen. Er glaubte, weinen zu müssen, selbst dazu raffte er sich nicht auf. In diesen langen Momenten merkte er, daß Tod und Grauen ihre unsichtbaren Fühler nach ihm ausstreckten. Nabila meldete sich. Sie sprach mit flüsternder und rauher Stimme. »Ich habe es dir gesagt. Du hättest

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