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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Unmöglich!
    Selbst mit einem scharfen Messer müßte man eine halbe Stunde oder länger an einem so dicken Stamm sägen. Dies wurde mit einem schwereren Werkzeug getan, das für eine solche Arbeit gemacht ist, vielleicht mit einem Haumesser oder einem Beil. Ihr seht ja, daß der Spalt oben beginnt, wo der Stamm mit ein oder zwei Schlägen hätte durchtrennt werden können. Doch dann schwenkt der Riß nach unten zum dicken Ansatz des Stammes ab, wo seit vielen Jahren totes Holz abgeschnitten wurde und hölzerne Knoten entstanden sind.«
    »Ich fürchte«, warf Bruder Anselm trocken ein, »Bruder Eluric war mit einem solchen Werkzeug nicht sehr geschickt.«
    »Und es war nur ein Schlag.« Cadfael ließ sich nicht beirren.
    »Mit einem zweiten Schlag wäre der Stamm völlig durchtrennt worden. Dieser erste Schlag – meiner Meinung nach auch der einzige – wurde abgelenkt. Jemand lenkte den Schlag ab.
    Jemand klammerte sich an den Arm, der das Beil schwang und lenkte die Klinge in den dicken Teil des Stammes ab. Ich vermute, die Klinge blieb stecken, und der Mann, der sie hielt, hatte keine Zeit mehr, mit beiden Händen zuzupacken und das Beil wieder herauszuziehen. Warum sonst hätte er sein Messer ziehen sollen?«
    »Wollt Ihr damit etwa sagen?« fragte Radulfus entsetzt, »daß hier in der letzten Nacht zwei Männer und nicht nur einer waren? Einer, der zerstören wollte, und ein zweiter, der es zu verhindern suchte?«
    »Ja, das ist das, was ich hier sehe.«
    »Und jener andere, der den Baum zu schützen suchte, der den Arm des Angreifers faßte und die Waffe ablenkte, so daß sie steckenblieb, worauf er selbst mit dem Messer niedergestreckt wurde …«
    »Dieser andere ist Bruder Eluric. Ja. Wie sonst hätte es sein können? Gewiß kam er heimlich und aus eigenem Antrieb des Nachts hierher, aber nicht um zu zerstören, sondern um sich von seinem wilden Traum zu verabschieden und ein letztes Mal und dann nie wieder die Rosen zu betrachten. Er kam gerade rechtzeitig, um einen anderen Mann zu überraschen, der mit ganz anderen Gedanken und aus ganz anderen Motiven gekommen war, nämlich um den Rosenstrauch zu zerstören.
    Hätte Eluric dabei tatenlos zusehen können? Nein, er sprang herbei, um den Baum zu schützen, klammerte sich an den Arm, der das Beil schwang, und lenkte die Klinge ab, so daß sie in den Stamm fuhr. Wenn es einen Kampf gab, wie der Boden zu zeigen scheint, dann hat er sicher nicht lange gedauert. Eluric war unbewaffnet. Der andere konnte zwar seine Axt nicht mehr gebrauchen, aber er hatte ein Messer und wußte es zu benutzen.«
    Es gab ein ausgedehntes Schweigen. Alle starrten ihn an und bedachten die Folgerungen, die sich aus seinen Worten ergaben. Nach einer Weile schienen sie überzeugt. In ihren Gesichtern zeigten sich Erleichterung und sogar Dankbarkeit.
    Wenn Eluric kein Selbstmörder war, sondern aufrecht seine Bürde tragend in den Tod gegangen war, als er eine Missetat verhindern wollte, dann war ihm ein Ruheplatz auf dem Friedhof sicher, und er durfte in allen Ehren bestattet werden.
    Die kleinen Sünden, für die er büßen mußte, würden sicher nicht verhindern, daß er wie der verlorene Sohn ins Haus seines Vaters aufgenommen werden würde.
    »Wenn es nicht so war, wie ich sagte«, strich Cadfael heraus, »dann müßte das Beil noch im Garten sein. Es ist aber nirgends zu sehen. Unser Bruder hier hat es bestimmt nicht fortgebracht. Er hat es auch nicht mitgebracht, darauf könnte ich schwören.«
    »Aber wenn das wahr ist«, grübelte Anselm, »dann blieb der andere nicht, um sein Werk zu vollenden.«
    »Nein. Er zerrte sein Beil heraus und suchte so schnell wie möglich das Weite, um den Ort zu verlassen, an dem er zum Mörder geworden war. Ich wage zu behaupten, daß er dies nicht beabsichtigt hatte. Es muß in einem Augenblick des Schreckens und Entsetzens geschehen sein, als dieser arme, erzürnte Bursche auf ihn losging. Vor dem toten Eluric läuft er mit weit größerem Schrecken davon, als er je vor dem lebendigen davongelaufen wäre.«
    »Dennoch«, erklärte Abt Radulfus ernst, »ist hier ein Mord geschehen.«
    »So ist es.«
    »Dann muß ich auf der Burg Bescheid sagen lassen. Um einen Mord müssen sich die weltlichen Mächte kümmern. Eine Schande, daß Hugh Beringar im Norden ist, wir werden seine Rückkehr abwarten müssen. Alan Herbard wird sicher sofort nach ihm schicken und ihn über dieses Ereignis unterrichten lassen. Gibt es sonst noch etwas zu tun, bevor wir

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