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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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dir schon jemals im Weg gestanden? Ich verspreche dir, von mir wird niemand ein Wort erfahren.« Und da ihr eine ungute Vorahnung kam, fügte sie hinzu: »Paß nur auf dich auf! Heute nacht könnten noch mehr Leute mit gefährlichen Unternehmungen beschäftigt sein.«
    Bertred lachte und nahm sie impulsiv in die Arme. Dann ging er pfeifend in der Dämmerung über den Hof davon.
    Sein Bett stand bei den Webstühlen im Schuppen. Dort gab es keinen Gefährten, der aufwachen und ihn hören konnte, als er mehr als eine Stunde nach Mitternacht aufstand und sich anzog. Auch war es kein Problem, durch die schmale Pforte auf die Straße zu schlüpfen, ohne von einem anderen Mitglied des Haushaltes gesehen zu werden. Er hatte den Zeitpunkt bedachtsam gewählt. Es durfte nicht zu früh sein, denn sonst wären einige Leute noch wach. Auch nicht zu spät, denn irgendwann würde der Mond aufgehen, und Dunkelheit eignete sich für seine Absichten besser. Wirklich war es in den schmalen Straßen zwischen den überhängenden Dächern der Häuser und Geschäfte noch dunkel, als er sich über die Straße Maerdol der Burg näherte. Das Stadttor im Osten gehörte zu den Verteidigungsanlagen der Burg; es war verschlossen und auch während der Nacht bewacht. In den letzten Jahren war Shrewsbury zwar vor Bedrohungen aus dem Osten sicher gewesen – nur einige Überfalle aus Wales im Westen hatten den Frieden der Grafschaft gestört –, doch Hugh Beringar ließ in seiner Wachsamkeit nicht nach. Die Pforte ganz im Osten aber, durch die man direkt unter den Türmen der Festung den Fluß erreichen konnte, war unbewacht. Nur in Zeiten akuter Gefahr wurden auch diese Pforten versperrt, verriegelt und von Posten auf den Mauern bewacht. Reiter, Wagen, Karren für den Markt, alles mußte warten, bis die Tore am Morgen wieder geöffnet wurden, doch ein einzelner Mann konnte zu jeder Stunde hindurch.
    Bertred kannte in der Dunkelheit den Weg so gut wie am Tage. Leicht und leise wie eine Katze konnte er auftreten und schleichen. Er schlüpfte durch die Pforte zur Böschung über dem Fluß hinaus und zog die Holztür hinter sich zu. Unter ihm spiegelte der Severn in flüchtigen Mustern das spärliche Licht, als leichtes Zittern in der Dunkelheit gerade wahrzunehmen.
    Der sternenlose, leicht verhangene Himmel war nur eine Spur heller als das massive Mauerwerk, als die Erde und die Bäume, deren Umrisse als tieferes Schwarz zu erkennen waren. Wenn in mehr als einer Stunde der Mond aufgehen würde, würde vielleicht auch der Himmel aufklaren. Er hatte genug Zeit, um einen Augenblick innezuhalten und sich zu überlegen, was zu tun war. Hier draußen wehte ein leiser Wind, auf den er achten mußte. Er mußte sich der Bulldogge des Wächters in der Färberei gegen den Wind nähern. So befeuchtete er einen Finger und prüfte die Windrichtung. Die leichte, gleichmäßige Brise kam von Südwesten. Deshalb schlug er einen weiten Bogen um die Burg, ging durch die Gärten an der Hauptstraße und erreichte dann im Windschatten die Rückseite des Lagerhauses.
    Er hatte es am Nachmittag genau untersucht, genauso wie der Sheriff, seine Soldaten und die Helfer aus der Stadt. Aber sie kannten das Lagerhaus nicht wie Bertred, der zwei-oder dreimal Vliese für seine Herrin abgeholt hatte. Auch hatten sie nicht vor Judith Perles Verschwinden in der Küche gesessen und Branwen gehört, die von der Absicht ihrer Herrin berichtete, früh am Morgen zur Abtei zu gehen, um einen neuen Vertrag aufzusetzen und ihr Geschenk bedingungslos an die Abtei zu übergeben. Sie hatten nicht wie Bertred gesehen, daß Hyndes Diener Gunnar kurz darauf sein Bier ausgetrunken und seine Würfel eingesteckt hatte, um in einiger Hast aufzubrechen, obwohl er doch vorher so bequem in der Küche gesessen hatte. Wie Bertred hatte Gunnar also auch von der Absicht der Herrin erfahren. Und er war sicherlich so rasch verschwunden, um sein Wissen noch einem anderen zu verraten. Ob dieser andere alt oder jung war, spielte keine Rolle. Eigenartig war nur, daß Bertred so lange gebraucht hatte, um die Folgen dieses Verrats zu begreifen. Erst der Anblick der Luke des alten Kontors, die von außen fest verschlossen und versperrt und von innen wahrscheinlich ebenso gesichert war, hatte ihm am Nachmittag ein Licht aufgehen lassen. Um sich Gewißheit zu verschaffen, hatte er in der Deckung der Bäume bis zur Dämmerung gewartet und beobachtet, wer da aus der Pforte in der Stadtmauer schlüpfte und wohin er mit

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