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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Besonders viel war es nicht. Er neigte nicht zu giftiger Wut.
    Sein Plan war gescheitert, und er hatte sich zum Narren gemacht. Er ermüdete sie, aber er machte ihr keine Angst.
    »Das wäre gut für Euch! Und ich wäre damit am Ende, ich würde verurteilt und ins Gefängnis geworfen, wo ich verfaulen würde. Ihr würdet mich, sobald Ihr heraus seid, anzeigen und Rache nehmen.«
    »Das hättet Ihr Euch überlegen sollen«, gab sie zurück, »bevor Ihr mich entführtet, Ihr und Euer schurkischer Diener. Ihr habt mich in dieses elende Loch gesteckt, habt mich unbequem und würdelos hinter Wollballen eingesperrt, wo ich mir die Grobheiten Eures Dieners und Eure unverschämten Anmaßungen gefallen lassen muß, und da erwartet Ihr auch noch Dankbarkeit? Oder Mitleid?
    Warum sollte ich Euch denn nicht anzeigen? Besser, Ihr denkt gründlich nach. Ihr müßt mich freilassen oder mich töten, und je länger die Verzögerung, desto schlimmer wird es für Euch. Für mich«, fügte sie bitter hinzu, »ist es schon schlimm genug. Was ist aus meinem guten Ruf geworden? In welche Lage werde ich kommen, wenn ich zu meiner Familie in mein Haus zurückkehre?«
    Vivian stürmte zu ihr zurück, warf sich neben der groben Holzbank, auf der sie soweit als möglich geruht hatte, auf die Knie. Sie saß jetzt aufrecht und bleich, die Hände im Schoß gefaltet, die Gewänder eng um sich gerafft, als wollte sie nicht nur seiner Berührung, sondern auch dem Staub und der Trostlosigkeit ihres Gefängnisses entgehen. Im Raum war nichts weiter außer dem zerbrochenen Schreibtisch, an dem einst der Schreiber seine Zahlen berechnet hatte, ein Steinkrug mit angeschlagenem Rand und in einer Ecke ein Haufen Abfall und Schutt. Die Lampe stand am Ende der Bank neben ihr und beschien jetzt Vivians zerzaustes Haar und sein verzweifeltes Gesicht. Er nahm flehend ihre Hände, doch sie fuhr so heftig zurück, daß er mit einem verzweifelten Laut von ihr abließ.
    »Ich wollte doch nicht ein solches Unheil anrichten, ich schwöre es! Ich dachte, Ihr hättet mich auch gern, ich dachte, ich brauchte Euch nur eine Weile für mich zu haben, und dann würden wir uns einig … Mein Gott, ich wünschte, ich hätte nie damit angefangen. Aber wirklich, ich habe wirklich geglaubt, ihr könntet mich lieben …«
    »Nein! Nie im Leben!« Sie hatte es in den vergangenen beiden Tagen oft gesagt, und immer mit derselben unnahbaren Kälte. Er hätte schon bei ihrer ersten Antwort erkennen müssen, daß es keine Hoffnung gab. Aber es war ihm nicht einmal gelungen, sich selbst einzureden, daß er sie liebte. Was er wollte, war die Sicherheit und Behaglichkeit, die sie ihm geben konnte, die Bezahlung seiner Schulden und die Aussicht auf ein bequemes Leben. Vielleicht sogar die Schadenfreude, seinem knauserigen Vater eine Nase drehen zu können – knauserig wenigstens in Vivians Augen, weil er es schließlich müde geworden war, seinen Sohn aus Schulden und Ärger herauszukaufen. Zweifellos fand der junge Mann die Aussicht, Judith zu heiraten, auch für sich genommen recht angenehm, doch dies war nicht der Grund dafür, daß er just diesen Morgen für seinen Antrag gewählt hatte. Warum sollte er sich das halbe Vermögen durch die Finger gleiten lassen, wenn er mit einem kühnen Streich das Ganze haben konnte?
    »Wie erklärt man übrigens mein Verschwinden?« erkundigte sie sich. »Vermutet man schon das Schlimmste? Sucht man überhaupt nach mir? Hält man mich für tot?«
    Vivian verzog zornig und trotzig das Gesicht. »Nach Euch suchen? Die ganze Stadt wird auf den Kopf gestellt, der Sheriff und alle seine Männer, Euer Vetter und die Hälfte Eurer Arbeiter sind auf der Suche. Kein Haus, das sie nicht aufgesucht hätten, keine Scheune, die sie nicht auf den Kopf gestellt hätten. Gestern abend waren sie hier. Alan Herbard und drei Männer von der Garnison. Wir öffneten ihnen die Türen und zeigten ihnen die gebündelten Vliese, und sie gaben sich damit zufrieden. Warum habt Ihr da nicht gerufen, wenn Ihr gerettet werden wolltet?«
    »Sie waren hier?« Judith erstarrte, als sie seine Bosheit sah.
    Aber er war am Ende, hatte das Schlimmste getan, was er tun konnte, und es würde nicht mehr lange dauern. »Ich habe sie nicht gehört!« gab sie resigniert und bitter zu.
    »Nein.« Er sagte es tonlos, seine Wut war verpufft. »Sie gaben sich rasch zufrieden. Viele wissen gar nicht, daß es diesen Raum gibt, und die Stapel mit der Wolle dämpfen jedes Geräusch. Sie haben nicht

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