Der Rosenmord
tut sie bestimmt nicht. Und wenn ein Mann sie so schlecht behandelt hat, dann wird sie, sobald sie frei ist – und frei wird sie sein! –, erst recht das tun, was sie schon so lange überlegt. Sie wird ins Kloster gehen. Nur noch zwei Tage, bis die Pacht fällig ist!« fügte Agatha hinzu. »Was sollen wir nur tun, wenn dieser Tag vergeht und sie immer noch nicht da ist?«
»Dann ist der Vertrag gebrochen, und man muß die ganze Sache neu bedenken. Aber das kann nur sie selbst entscheiden. Solange sie nicht gefunden wird, können wir nichts weiter tun, und es gibt für uns keinen Trost. Morgen mache ich mich wieder selbst auf die Suche«, schwor Miles und schüttelte verzweifelt den Kopf, da der Sheriff des Königs und alle seine Männer versagt hatten.
»Aber wo? Wo kann man noch suchen, wo sie noch nicht waren?«
In der Tat eine schwer zu beantwortende Frage. In diese verzweifelte Atmosphäre kam Bertred in der Dämmerung geschlendert, still und kein Wort darüber verlierend, daß die Herrin noch nicht gefunden war, sondern so vergnügt und mit strahlenden Augen, daß Miles sehr grob und knapp mit ihm war. Er gab sich keineswegs so gutmütig wie sonst, sondern schoß Bertred einen langen, düsteren Blick hinterher, als dieser sich klugerweise in die Küche absetzte. An warmen Sommerabenden war es angenehmer, draußen zu sitzen als in dem düsteren, rauchigem Raum, der zusätzlich durch das Herdfeuer erhitzt wurde. Die Küche war fast verlassen, da alle Diener ihren eigenen Angelegenheiten nachgingen; nur Bertreds Mutter Alison, die Familie und Arbeiter bekochte, wartete recht ungeduldig auf ihren abtrünnigen Sohn, dem sie einen Topf auf dem noch brennenden Feuer warmgehalten hatte.
»Wo hast du dich nur herumgetrieben?« verlangte sie zu wissen und wandte sich mit der Kelle in der Hand zu ihm um, als er lebhaft hereingetrampelt kam und sich an seinen Platz am langen Eßtisch setzte. Im Vorbeigehen drückte er ihr wie gewohnt einen flüchtigen Kuß auf die volle, rote Wange. Sie war eine gemütliche, dicke Frau mit einigen letzten Spuren des guten Aussehens, das sie an ihren Sohn vererbt hatte. »Das ist aber das mindeste«, erklärte sie, indem sie die Holzschale krachend vor ihm abstellte, »nachdem du mich so lange hast warten lassen. Herumgetrieben hast du dich den ganzen Tag, denn sonst würdest du mir jetzt erzählen, daß du sie heimgebracht hast, und dich brüsten wie ein Pfau. Die anderen Männer sind schon vor mehr als zwei Stunden heimgekommen.
Wo hast du dich danach herumgetrieben?«
In der düsteren Küche war sein kleines, selbstzufriedenes Lächeln kaum zu sehen, doch sein Tonfall verriet seine Gefühle. Er faßte ihren Arm und zog sie neben sich auf die Bank.
»Mach dir keine Gedanken, wo ich war, überlasse es nur mir!
Es gab da eine Sache, auf die ich warten mußte, und sie war das Warten wert. Mutter …« Er beugte sich näher zu ihr und senkte seine Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. »… wie würde es dir gefallen, in diesem Haus mehr als eine Dienerin zu sein? Eine angesehene Frau, eine feine Dame? Warte nur eine Weile, ich werde schon für unser Glück sorgen. Was sagst du dazu?«
»Ach, du und deine Luftschlösser«, erwiderte sie, nicht sonderlich beeindruckt, aber liebevoll, um ihn nicht zu verspotten. »Wie meinst du das überhaupt?«
»Ich will noch nichts verraten, ich sage es erst, wenn es getan ist. Keiner von diesen eifrigen Hunden, die den ganzen Tag herumgeschnüffelt haben, wissen das, was ich weiß. Mehr sage ich nicht, und ich sage es nur zu dir. Und … Mutter, ich muß heute nacht noch einmal fort, wenn es ganz dunkel ist.
Mach dir keine Sorgen, ich weiß schon, was ich tue. Warte nur, du wirst dich noch wundern. Aber heute abend darfst du kein Wort sagen, zu niemand.«
Sie rückte zweifelnd ein Stück von ihm ab, um sein lächelndes, neckendes Gesicht genauer zu besehen. »Was führst du da im Schilde? Wenn nötig, kann ich schweigen wie ein Grab. Paß nur auf, daß du dich nicht in Schwierigkeiten bringst. Warum sagst du nichts, wenn du etwas weißt?«
»Damit andere davon profitieren? Nein, überlaß es nur mir, Mutter. Ich weiß schon, was ich mache. Morgen wirst du es selbst sehen. Aber verrate heute abend kein Wort. Versprich es mir!«
»Dein alter Herr war ganz genauso«, erwiderte sie und entspannte sich lächelnd. »Immer voll großer Pläne. Nun, wenn ich jetzt die ganze Nacht vor Neugierde nicht schlafen kann, dann muß es eben sein. Habe ich
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