Der Rosenmord
hatte.«
»Ich habe nach Miles Coliar geschickt, habe ihm aber den Grund noch nicht sagen lassen. Besser, er teilt es der Mutter nach seiner Rückkehr mit. Es wird für sie leichter sein, wenn sie es daheim erzählt bekommt – wie ich weiß, arbeitet sie dort in der Küche. Und Coliar muß dafür sorgen, daß die Leiche überführt und für die Beerdigung vorbereitet wird, wenn ihr sie hier nicht mehr braucht.«
»Wir brauchen sie nicht mehr«, entgegnete Cadfael, indem er sich seufzend von dem Toten abwandte. »Ich bin fertig.« Er verließ die Kapelle als letzter. An der Tür hielt er noch einmal inne und warf einen letzten langen Blick auf die reglose Gestalt unter dem weißen Tuch auf dem kalten Stein. Ein junger Mann, vor seiner Zeit gestorben. Eine traurige Verschwendung des Lebens. »Armer Kerl«, sagte Cadfael und schloß sachte die Tür.
Miles Coliar kam hastig und allein aus der Stadt. Warum man ihn gerufen hatte, wußte er nicht, aber gewiß mußte es ernste Gründe geben, und nach seinem Gesicht zu urteilen, spekulierte er bereits ängstlich und besorgt über diese Gründe.
Sie erwarteten ihn im Vorraum des Torhauses. Miles grüßte höflich Abt und Sheriff und blickte besorgt von einem Gesicht zum anderen, während er sich fragte, was der Ernst der Männer zu bedeuten habe.
»Mylord, gibt es Neuigkeiten? Meine Cousine? Habt Ihr etwas über sie erfahren, daß Ihr nach mir geschickt habt?« Er wurde mit jedem Wort bleicher, und sein Gesicht verzerrte sich zu einer Maske der Angst, denn anscheinend mißverstand er ihr Schweigen und ihre düsteren Blicke. »Mein Gott, nein! Nein … sie kann doch nicht … sie ist doch nicht …« Seine Stimme weigerte sich, das Wort ›tot‹ auszusprechen, aber seine Lippen bewegten sich stumm.
»Nein, nein!« beeilte Hugh sich, ihn zu beruhigen. »Nein, so ist es nicht! Nein, über sie wissen wir nichts Neues. Es gibt keinen Grund, das Schlimmste zu befürchten. Es geht um etwas anderes, doch auch diese andere Sache ist schlimm genug. Die Suche nach Eurer Cousine geht weiter und wird weitergehen, bis wir sie gefunden haben.«
»Gott sei Dank!« Miles holte tief Luft, und die scharfen Falten in seinem Gesicht entspannten sich. »Verzeiht mir, wenn ich nur langsam denke, rede und verstehe und allzu eilig darin bin, das Schlimmste zu befürchten. Ich habe in den letzten Tagen kaum Ruhe gefunden oder geschlafen.«
»Es tut mir leid, Eure Sorgen noch vergrößern zu müssen«, erklärte Hugh, »aber was sein muß, muß sein. Es geht aber nicht um Frau Perle. Habt Ihr heute einen Eurer Männer an den Webstühlen vermißt?«
Miles starrte ins Leere, kratzte sich den braunen Wuschelkopf zugleich erleichtert und verwirrt. »Die Weber arbeiten heute nicht, die Webstühle sind seit gestern morgen verlassen. Die meisten Männer helfen bei der Suche. Die Frauen arbeiten im Spinnraum, denn es wäre sinnlos, wenn sie mit den Soldaten und den Männern von der Garnison auf die Suche gingen. Warum fragt Ihr, Mylord?«
»Wann habt Ihr Bertred zum letztenmal gesehen? Wie ich weiß, arbeitet und lebt er bei Euch.«
»Das stimmt«, erklärte Miles stirnrunzelnd. »Heute habe ich ihn noch nicht gesehen, und das ist auch kein Wunder, da an den Webstühlen nicht gearbeitet wird. Er ißt immer in der Küche. Wahrscheinlich hilft er bei der Suche, aber weiß Gott, wir haben ja schon an jede Tür geklopft, jeden Hof und Garten in der Stadt durchstöbert, und alle Frauen und Männer sind gehalten, auf jedes Zeichen und jedes Wort zu achten, das uns zu ihr führen könnte. Aber was können wir tun, außer weiterzusuchen und immer wieder zu fragen? Inzwischen sind die Männer wahrscheinlich draußen in den Weilern und dehnen die Suche auf die ganze Umgebung aus, wie Ihr selbst ja am besten wißt, Mylord. Bertred ist sicher draußen mit ihnen unterwegs. Er hat unermüdlich an der Suche teilgenommen, das muß ich ihm lassen.«
»Und seine Mutter – macht sie sich keine Sorgen um ihn?
Hat sie ein Wort darüber verloren, was er beabsichtigte? Hat sie nicht mit Euch über ihn gesprochen?«
»Nein!« Wieder starrte Miles verwirrt von einem Gesicht zum anderen. »Ihr werdet in unserem Haus kaum jemand finden, der nicht besorgt ist, aber an seiner Mutter fiel mir nichts auf, was nicht auch für alle anderen gilt. Warum? Was hat das zu bedeuten, Mylord? Wißt Ihr etwas über Bertred, das ich nicht weiß? Er ist doch nicht der Schuldige! Das ist unmöglich! Er hat sich auf der Suche nach meiner
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