Der Rosenmord
Gästehaus trafen gleichzeitig bei Trägern und Bahre ein. Ein halbes Dutzend Brüder, die, ihren eigenen Geschäften nachgehend, den großen Hof überquert hatten, blieben stehen, sahen zu und rückten allmählich näher, um ja nichts zu verpassen.
»Ich habe Bruder Rhun geschickt, den Abt zu unterrichten«, erklärte Robert, indem er den edlen silbernen Kopf über den reglosen Körper auf der improvisierten Bahre beugte. »Das ist eine schlimme Sache. Wo habt Ihr den Mann gefunden? Habt Ihr ihn auf unserem Grund und Boden ans Ufer gebracht?«
»Nein, es war ein Stück dahinter«, erwiderte Cadfael. »Er wurde ans Ufer gespült. Er ist schon einige Stunden tot, würde ich sagen. Ic h konnte nichts mehr für ihn tun.«
»War es denn nötig, ihn herzubringen? Wenn seine Familie in der Stadt oder in der Vorstadt lebt, dann soll die sich um sein Begräbnis kümmern.«
»Nicht unbedingt notwendig«, gab Cadfael zurück, »aber ich hielt es trotzdem für geraten, ihn herzubringen.
Der Vater Abt wird sicher meiner Meinung sein. Es gibt gute Gründe dafür. Auch der Sheriff dürfte sich für diese Angelegenheit interessieren.«
»Ach, wirklich? Warum denn, wenn der Mann ertrunken ist?
Das ist doch eine Todesart, die hier nicht eben unbekannt ist.«
Mit spitzen Fingern nahm er das Tragband vom gebleichten, bläulichen Gesicht, in dem das Leben so gesund und stark gestrahlt hatte. Das Gesicht sagte ihm nichts. Wenn er den Mann überhaupt je gesehen hatte, dann nur flüchtig im Vorbeigehen. Die Häuser in der Straße Maerdol gehörten zur Gemeinde von St. Chad, und weder als Kirchgänger noch beruflich hatte Bertred häufig die Vorstadt aufgesucht. »Kennt Ihr diesen Mann?«
»Vom Sehen, ja, aber viel mehr weiß ich nicht. Er ist einer von Frau Perles Webern und wohnt in ihrem Haus.«
Prior Robert, der sich gewöhnlich aus den unschönen weltlichen Dingen heraushielt, die manchmal das wohlgeordnete Leben in der Enklave störten und für Unruhe sorgten, riß nun doch die Augen auf. Natürlich wußte er, welch garstige Ereignisse mit jenem Haus verbunden waren, und er konnte sich nicht der Schlußfolgerung entziehen, daß jede neue Katastrophe nur ein neues Mosaikstückchen einem schrecklichen Muster war. Natürlich gab es Zufälle, aber sie geschahen nicht dutzendweise im Zusammenhang mit dem gleichen Haus und dem gleichen Namen.
»Nun denn!« Er holte tief Luft und war anscheinend froh, sich heraushalten zu können. »Dann war es richtig, den Abt zu unterrichten.« Und mit einiger Erleichterung fügte er hinzu: »Da kommt er schon.«
Abt Radulfus trat aus seinem Garten und kam, Rhun an seiner Seite, mit raschen Schritten näher. Wortlos legte er Bertreds Kopf und Schultern frei und betrachtete ihn lange und nachdenklich. Dann bedeckte er das Gesicht des Toten wieder und wandte sich an Cadfael.
»Bruder Rhun berichtete mir, wo und unter welchen Umständen er gefunden wurde, aber er wußte nicht, wer der Tote war. Wißt Ihr es?«
»ja, Ehrwürdiger Vater. Sein Name ist Bertred, er war in Judith Perles Laden der Vorarbeiter der Weber. Ich habe ihn gestern gesehen, als er den Männern des Sheriffs bei der Suche nach der vermißten Frau half.«
»Die noch nicht gefunden wurde?« fragte Radulfus zurück.
»Nein. Die Suche dauert jetzt drei Tage an, aber Judith wurde noch nicht gefunden.«
»Statt dessen wird einer ihrer Männer tot aufgefunden.« Es war unnötig, eigens auf die ohnehin offensichtlichen Zusammenhänge hinzuweisen. »Seid Ihr sicher, daß er ertrunken ist?«
»Ehrwürdiger Vater, das erfordert einiges Nachdenken. Ich glaube schon, aber er bekam auch einen Schlag an den Kopf.
Ich würde seine Leiche gern näher untersuchen.«
»Das würde der Sheriff sicher auch gern tun«, erwiderte der Abt knapp. »Ich lasse sofort nach ihm schicken, und einstweilen werden wir den Toten hier aufbahren. Wißt Ihr, ob er schwimmen konnte?«
»Nein, Ehrwürdiger Vater, aber hier gibt es nur wenige Jungen, die nicht schwimmen können. Das können uns aber gewiß seine Verwandten sagen.«
»Richtig. Auch nach ihnen müssen wir schicken. Aber vielleicht erst später, nachdem Hugh ihn gesehen und mit Euch zusammen alles herausgefunden hat, was es herauszufinden gibt.« Zu den Trägern, die ihre Last inzwischen abgesetzt hatten und ein wenig abseits schweigend warteten, sagte er:
»Bringt ihn in die Friedhofskapelle. Entkleidet ihn und bahrt ihn anständig auf. Zündet Kerzen für ihn an. Wie und aus welchem Grund auch
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