Der Rosenmord
es klang fast so, als wüßte er die Antwort bereits.
»Den Mord hatte er sicher nicht geplant«, erklärte Hugh sachlich. »Aber was die Zerstörung des Strauchs angeht – Ihr selbst habt uns einen guten Grund dafür genannt, daß ein Mann es tun könnte.«
»Aber was hätte es Bertred genützt? Er hätte doch damit nur verhindert, daß meine Cousine die Rose erhält. Was hatte das mit ihm zu tun? Er hatte doch kein Recht auf das Haus.« Miles hielt inne und dachte abermals nach. »Ich weiß nicht – es scheint mir sehr weit hergeholt. Er hat sich eine kleine Chance bei ihr ausgerechnet. Manchmal war er ziemlich von sich selbst eingenommen. Vielleicht glaubte er sogar, ihre Gunst gewinnen zu können, solche Dinge geschehen manchmal. Wenn er so hochfliegende Pläne hatte, dann wird es verständlich … das Haus in der Vorstadt machte gut die Hälfte ihres Vermögens aus, und es war den Versuch wert, es zurückzubekommen.«
»Das mögen alle ihre Freier gedacht haben«, ergänzte Hugh, »nicht nur Bertred. Hat er hier geschlafen?«
»Ja.«
»Dann konnte er Tag und Nacht jederzeit ein und aus gehen, ohne einen anderen Menschen zu stören?«
»Das konnte er. Und letzte Nacht hat er es anscheinend getan, denn niemand im Haus hörte ein Geräusch.«
»Aber angenommen, wir haben nun den Beweis, der ihn mit dem Mord an Bruder Eluric in Verbindung bringt«, sagte Hugh stirnrunzelnd, »dann wissen wir immer noch nicht, was er mit Judith Perles Verschwinden zu tun hat. Nichts verbindet ihn damit, und wir müssen immer noch einen zweiten Missetäter finden. Bertred war einer der eifrigsten Helfer bei der Suche nach ihr. Er hätte kaum soviel Energie auf die Suche verwendet, wenn er gewußt hätte, wo sie zu finden war, so angebracht es auch scheinen mochte, großen Eifer an den Tag zu legen.«
»Mylord«, sagte Miles langsam, »ich hätte Bertred niemals eine solche Schandtat zugetraut, aber nun habt Ihr mir seine Schuld bewiesen, und ich muß den nächsten Schritt tun.
Eigenartig ist es schon. Als wir ihn heimbrachten, hat seine Mutter uns erzählt, was er gestern abend zu ihr sagte. Fragt sie selbst, Mylord, sie wird es für Euch gewiß wiederholen. Um keine Verwirrung zu stiften, will ich lieber schweigen. Wenn es etwas zu bedeuten hat, soll sie es Euch selbst sagen.«
Die tränenüberströmte Witwe, umgeben von ihren Trösterinnen, hatte trotz ihres Schluchzens immer noch genug Luft, um viele Worte zu machen und auch vor dem Sheriff ihren Klagegesang fortzusetzen. Hugh trieb ihre Gefährtinnen eine Weile hinaus, um sich die beraubte Frau allein vorzunehmen.
»So ein guter Sohn war er mir immer, ein guter Arbeiter für seine Herrin, er war gut zu ihr, und sie hat es ihm gut vergolten.
Aber große Pläne hatte er, genau wie sein Vater früher, und was hat ihm das eingebracht? Wie es mir gefallen würde, hat er mich gestern abend gefragt, wie es mir gefallen würde, in diesem Haus etwas Besseres als eine Dienerin zu sein – eine feine Dame, die in der Halle lebt und nicht in der Küche. Warte nur einen Tag oder so, hat er gesagt, dann wirst du sehen. Ich werde schon für unser Glück sorgen, hat er gesagt. Niemand weiß, hat er gesagt, was ich weiß. Warum sagst du nichts, wenn du etwas weißt, habe ich ihn gefragt. Aber das wollte er nicht. Damit andere davon profitieren? meinte er. Nein, überlaß nur alles mir.«
»Und hat er etwas darüber gesagt, was er in dieser Nacht vorhatte?« fragte Hugh.
»Er sagte, er müßte im Dunkeln noch einmal hinaus, aber er wollte nicht sagen wohin oder warum und was er wollte. Warte nur bis morgen, sagte er, und sage niemand ein Wort. Aber was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Ob ich spreche oder schweige, es nützt ihm nichts. Paß nur auf, daß du dich nicht in Schwierigkeiten bringst, habe ich ihm gesagt. Heute nacht könnten noch mehr Leute mit gefährlichen Unternehmungen beschäftigt sein.«
Der Strom ihrer Worte war keineswegs versiegt, doch sie begann sich zu wiederholen, denn sie hatte alles erzählt, was sie wußte. Sie überließen sie den Frauen und ihrem Kummer, der sich allmählich in Erschöpfung auflöste. Das Haus der Vestiers, versicherte Miles ihnen, als sie sich verabschiedeten, würde nicht zulassen, daß es einer alten Dienerin an etwas mangelte. Alisons Zukunft sei gesichert.
10. Kapitel
»Kommt mit mir«, sagte Hugh, indem er sich abrupt umwandte und den Hügel zum High Cross hinaufging. Mit einiger Erleichterung verließ er das aufgeregte
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