Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
immer er starb, er ist unser sterblicher Bruder. Ich schicke einen Burschen nach Hugh Beringar. Wartet bei mir, Cadfael, bis er eintrifft. Ich will alles wissen, was mit der armen vermißten Frau zusammenhängt.«
    Sie hatten Bertred in der Friedhofskapelle nackt aufgebahrt und mit einem Leichentuch zugedeckt. Seine nassen Kleider lagen zusammengefaltet daneben, auch die Stiefel hatten sie ihm von den Füßen gezogen. Da es in der Kapelle düster war, hatte man auf hohen Ständern, die bewegt werden und jede Stelle ausleuchten konnten, Kerzen entzündet.
    Abt Radulfus, Bruder Cadfael und Hugh Beringar versammelten sich vor dem Toten. Der Abt schlug das Leichentuch zurück und entblößte den Mann, der mit ordentlich auf der Brust gefalteten Händen ausgestreckt und würdevoll auf dem kalten Stein lag. Jemand hatte ihm die Augen zugedrückt, die Cadfael offen gefunden hatte, als wäre der Mann gerade aufgewacht, aber viel zu spät, um sich zu erheben.
    Der jugendliche Körper eines hübschen, vielleicht etwas zu muskulösen Mannes, der kaum älter als zwanzig geworden war. Mit regelmäßigen, schönen Gesichtszügen war er gesegnet gewesen, aber im Gesicht gab es entweder zuviel Fleisch oder zuwenig Knochen. Waliser erwarten gewöhnlich starke, kräftige Knochen in den Gesichtern ihrer Mitmenschen und sehen etwas verächtlich auf allzu dicke Polster hinab.
    Dennoch war er ein gutaussehender junger Mann. Gesicht, Hals, Schultern und die Arme von den Ellbogen bis zu den Fingerspitzen waren sonnengebräunt, wenn auch seine Haut jetzt blaß und stumpf wirkte.
    »Keine Verletzung«, erklärte Hugh, indem er ihn vom Kopf bis zu den Füßen betrachtete, »abgesehen von dem Schlag auf die Stirn. Und daraus dürfte nicht mehr entstanden sein als ein Kopfschmerz.«
    Die Haut war unter dem Haaransatz aufgerissen, aber es war im Grunde nicht mehr als ein schmerzhafter Kratzer. Cadfael nahm den Kopf mit dem dichten braunen Haar, das auf der breiten Stirn klebte, in die Hände und tastete den Schädel ab.
    »Hier auf der linken Seite unter dem Haar, dicht über dem Ohr, ist eine zweite Delle. Etwas mit einer langen, scharfen Kante hat trotz des dichten Haars die Kopfhaut verletzt. Durch diese Verletzung hat er wohl eine Weile das Bewußtsein verloren, aber sie konnte ihn nicht umbringen. Nein, er ist sicher ertrunken.«
    »Was mag der Mann getan haben?« grübelte der Abt. »An dieser Stelle und zu dieser Nachtzeit? Da unten ist doch nichts, kein Weg, der irgendwohin führt, kein Haus, das man besuchen könnte. Schwer einzusehen, was ein Mann dort im Dunkeln zu suchen hat.«
    »Was er dort zu suchen hatte«, erwiderte Hugh, »und was er gestern den ganzen Tag gesucht hat, ist seine Herrin. Er stand in Frau Perles Diensten, er wohnte bei ihr und bot seine Hilfe an, und wie ich sah, schonte er sich dabei nicht und meinte es ernst. Wenn er nun auf eigene Faust weitergesucht hat?«
    »Des Nachts? Und dort draußen? Da gibt es nichts als ein paar offene Wiesen und ein paar Haine«, widersprach Radulfus. »Jenseits unserer Gärten steht weit und breit keine Hütte, in der man eine entführte Frau verstecken könnte. Wäre er am anderen Ufer gefunden worden, dann wäre es einleuchtender, denn von dort aus kann man wenigstens die Stadt und die Häuser der Vorstadt der Burg erreichen. Aber trotzdem – in der Nacht, und noch dazu in einer dunklen Nacht
    …«
    »Wie hat er zwei Schläge auf den Kopf bekommen und ist im Fluß gelandet? Im Dunkeln mag man auf eine überhängende Böschung treten und ausgleiten«, sagte Hugh kopfschüttelnd, »aber bei einem Jungen aus Shrewsbury wage ich das zu bezweifeln. Diese Jungen kennen den Fluß. Wir müssen herausfinden, ob er wie die meisten Jungen schon früh schwimmen lernte. Cadfael, wir wissen, wo er angeschwemmt wurde. Ist es möglich, daß er auf der anderen Seite ins Wasser ging? Könnte er, wenn er nach den Verletzungen halb betäubt den Fluß überqueren wollte, an dieser Stelle angetrieben worden sein?«
    »Das müssen wir Madog fragen«, erklärte Cadfael. »Er wird es wissen. An vielen Stellen gibt es Strömungen und Gegenströmungen. Es ist durchaus möglich.« Er strich beinahe abwesend das nasse Haar des Mannes auf dem Kopf glatt und zog das Leinen wieder über das Gesicht. »Weiter kann er uns nichts verraten. Nun müssen wir seine Verwandten unterrichten. Vielleicht könnten die uns sagen, wann sie ihn das letzte Mal gesehen haben und ob er sich für die Nacht etwas vorgenommen

Weitere Kostenlose Bücher