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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sage ich? dachte er fiebernd. Wie rede ich sie an? Wie wird sie hereinkommen?
    Er hörte, wie sie in der Diele ablegte, er hörte Papier rascheln – das Paket, sie packte es aus –, dann ging die Tür auf, und sie war da.
    Einfach da. Lächelnd, die Hand ausstreckend, selbstverständlich. Einfach da …
    »Du …«, sagte er leise. »Ich freue mich so …«
    Er ging auf sie zu, legte den Arm um ihren Nacken und sah ihr in die graugrünen Augen. Ihr Kopf beugte sich nach hinten, die roten, wie frisches Blut glänzenden Lippen kamen ihm entgegen.
    Ich wußte, daß du mich rufst, sagten diese Lippen. Er sah nichts als sie, und er starrte auf die beiden roten Streifen, aus denen diese Gedanken kamen. Die Bewegung des Sprechens war auf ihnen wie gleitende Wellen.
    »Ich brauche dich«, sagte er leise.
    Er wußte, daß er sich mit diesem Satz auslieferte.
    Zwei Tage, Samstag und Sonntag, ging Professor Bergh nicht in die Klinik. Er blieb zu Hause, und Brigitte Teschendorff war bei ihm.
    Die Haushälterin Erna hatte einen langen Wochenendurlaub bekommen. »Schick sie weg«, hatte Brigitte gesagt, »sie schaut mich an, als wolle sie mich zerfleischen. Sie stört mich, und ich möchte in deiner Nähe nichts um mich haben, was mich stört. Schick sie weg …«
    Bergh hatte nachgegeben und Erna – seit fast sieben Jahren ohne Urlaub – mit ein paar kurzen, freundlich klingen sollenden Worten weggeschickt. Sie hatte es stumm hingenommen wie einen Schlag, der einen demütigen Sklaven trifft und der hinterher noch die Hand des strengen Herrn küßt. Nur ihre Augen sprachen, und Bergh schaute zur Seite, um nicht aus ihnen zu lesen, was sie dachte und was er selbst wußte, aber nicht wissen wollte.
    Sie hatte ihren kleinen Pappkoffer gepackt und war nach Sievering zu einer verheirateten Schwester gefahren.
    »Im Eisschrank steht alles für zwei Tage fertig«, hatte sie beim Abschied zu Professor Bergh gesagt. »Kalter Braten, ein Pudding, Wurst, genug Butter, einige Büchsen und – Sekt.« Sie sah auf ihren kleinen Koffer und atmete tief. »Das Mittagessen …«
    »Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, sagte Bergh knapp. »Bis Montag morgen, Erna! Wenn Sie im Laufe des Vormittags hier sind, ist es früh genug!«
    »Einen schönen Sonntag, Herr Professor.«
    »Danke, Erna.«
    Sie ging. Von Brigitte Teschendorff verabschiedete sie sich nicht. Sie übersah sie, obwohl sie in der Tür zum Wohnzimmer stand.
    Mit der Klinik telefonierte er in diesen beiden Tagen öfter. Er hatte Dr. Thoma zum Sonntagsdienst eingeteilt und wußte, daß auch Oberarzt Dr. Werth in seiner beamtenhaften Gewissenhaftigkeit am Sonntag zweimal in das Krankenhaus kam und sich über Neuaufnahmen und Befinden der Frischoperierten unterrichten ließ. Kaum, daß er lobte. Dr. Werth und Dr. Thoma waren nicht so hartgesotten, um sich nicht darüber zu erregen. »Abwarten!« sagte Dr. Werth zu dem Ersten Assistenzarzt und lächelte dabei wie weise.
    Brigitte Teschendorff saß auf der Couch und kochte in der gläsernen Kaffeemaschine einen Mokka. Sie hörte mit zur Seite geneigtem Kopf einem Gespräch Berghs mit Dr. Thoma zu. Als Bergh auflegte, faltete sie die Hände unter dem Kinn.
    »Warum bist du eigentlich so streng?« fragte sie. »Du bist doch gar nicht so. Man sollte meinen, du seist ein Mensch, der in dem Glauben lebt, es gäbe nur ihn auf der Welt. Dr. Thoma ist doch ein guter Chirurg.«
    »Unzweifelhaft. Das ist er.«
    »Und trotzdem kanzelst du ihn ab wie einen Schuljungen, der seine Vokabeln nicht konnte.«
    »Wenn man einem jungen Menschen sagt, daß er nichts mehr zu lernen braucht, verschlampt er. Ein Mensch – und vor allem ein Arzt – kann nie sagen, daß er vollkommen ist!«
    »Auch du nicht?«
    »Auch ich nicht.«
    »Aber weil du Chefarzt bist, kannst du mehr als alle deine anderen Ärzte …?«
    Bergh war es, als habe man ihn in den Rücken gestochen. Er zeigte es nicht, nur sein Mund zog sich enger zusammen.
    »Natürlich!« sagte er böse. »Wäre ich nicht sonst der Chef?«
    »Und du hast keine Angst, Martin?«
    »Angst? Wovor?«
    »Zwei, drei oder gar vier mißlungene Operationen – Todesfälle während des Eingriffes – operative Kunstfehler – jedem kann das passieren …«
    »Was redest du da für einen Unsinn!« sagte er grob.
    »Man gönnt dem Ruhm einige Flecken. Und diese fressen wie Rost!«
    »Dummheit! Ich mache keine Kunstfehler! Dieser Gedanke ist mir nie gekommen! Es ist mir zu absurd!«
    »Und warum hast du mich

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