Der rostende Ruhm
in Ordnung?« brüllte Bergh. »Sauger! Seide! Irgendwo ist eine Schlagader offen!«
Dr. Thoma reichte den Blutabsauger hin. Schwester Cäcilia gab mit plötzlich zitternden Fingern die Arterienklammern und Seide an. Dr. Werth beugte sich über den Operationstisch und suchte, während der Sauger den Blutstrom wegnahm, nach dem Grund der spontanen Blutung.
Bergh schwitzte plötzlich. Der Schweiß lief ihm wie brennendes Öl über die Stirn, über die Augen, die Mundwinkel hinab in den Hals. Er dachte an den roten Strich, den er gestern versehentlich durch den Namen der jungen Frau gezogen hatte …
Dieser Gedanke machte ihn reaktionsunfähig. Er lähmte ihn – er wurzelte ihn neben der blutenden Patientin fest und blies sein Gehirn leer. Nur der Gedanke blieb: Aus! Der rote Strich! Es hat so kommen müssen! Es war das Schicksal. Aus! Aus!
Oberarzt Dr. Werth streckte die Hand zu Schwester Cäcilia. »Klemmen!« rief er. »Ich sehe es! Die Arteria vertebralis ist verletzt.«
»Verletzt?« fragte Bergh wie benommen. »Wie kann sie verletzt sein?«
Er sah plötzlich das anatomische Bild vor sich. Die Wirbelschlagader, der stärkste, nach oben gehende Abzweig der starken Arteria subclavia. Es war alles völlig klar. Er hatte sie nicht beachtet, und bei dem kühnen Scherenschlag am Aneurysma hatte er die Vertebralis mit der Scherenspitze erfaßt und aufgeschlitzt.
Es war seine Schuld, allein seine Schuld.
Er blickte sich um. Dr. Thoma sah ihn halb entsetzt, halb verständnislos an. Schwester Cäcilia legte neue Tücher über die durchgebluteten, Dr. Werth setzte die doppelten Ligaturen, mit denen er den Arterienstrang abband. Krankenpfleger Wortischek stand am Kopf und kontrollierte die Atmung. Sein Blick war wie immer fischähnlich, ausdruckslos, glitschig kalt.
»Blutung steht«, sagte Dr. Werth. Er atmete hörbar aus. »Wir können weitermachen, Herr Professor.«
Bergh nickte. Er sah noch einmal auf die offengelegten Gefäßstämme, auf das ausgelöste Aneurysma und die blutverschmierte Operationswunde. Der Schweiß lief noch immer beißend über sein Gesicht – er lag vor seinen Augen wie ein Schleier, durch den er Dr. Werth wie hinter einer Milchglasscheibe verschwimmend sah.
»Machen Sie die Sache zu Ende, Herr Werth«, sagte er dumpf. »Das Wichtigste ist ja getan.«
Er hatte sich abgewandt und war langsam aus dem OP gegangen. – So also war die Operation verlaufen.
Gabriele Orth hatte sich nicht, wie sie dem Chefredakteur angedroht hatte, ins Bett gelegt und die Kranke gespielt, sondern sie war an diesem Vormittag unterwegs gewesen, um Material gegen Professor Bergh zu sammeln. Wenn Sporenka aus dem Krankenhaus hinausgeworfen wurde – was Gabriele als sicher annahm –, wenn Bergh mit Schadenersatz drohte und Sporenka mit Entlassung, dann wollte sie wenigstens etwas in der Hand halten, was ihre Haltung rechtfertigte.
Mit diesen Ergebnissen kam Gabriele Orth in die Redaktion zurück. Sie war bester Laune genau wie Sporenka, der bei Radiomusik einen Artikel redigierte und die Melodie mitpfiff.
»Ich habe einen Knüller, Chef!« rief Gabriele fröhlich und legte ihren Notizblock auf den Tisch. »Bei Bergh stinkt es doch!«
Sie wunderte sich, daß Sporenka wie vom Blitz getroffen mit dem Pfeifen aufhörte und vom Stuhl emporschnellte.
»Wenn Sie noch ein Wort über Bergh sagen oder schreiben, erledige ich Ihre journalistische Karriere mit einem vollendeten Hinauswurf!« rief er empört. »Wie können Sie es wagen, auf ein solches Genie Dreck zu werfen?«
»Das muß ich mir sagen lassen!« seufzte Gabriele Orth. Sie schlug ihren Notizblock auf und las, unbekümmert um Sporenkas abwehrenden Handbewegungen, ihre Aufzeichnungen vor.
»Streit zwischen Bergh und dem Krankenhaus-Kuratorium! – Bergh fordert unmögliche Neuerungen! – Frau Brigitte Teschendorff ist die größte Gegnerin Berghs! – Uneinigkeit im Kuratorium. Es ist in zwei Lager gespalten! Bergh droht mit Abwanderung nach Deutschland!« Gabriele Orth sah zu Sporenka. Dieser war still geworden, hatte sich wieder hingesetzt und den Kopf in beide Hände gestützt. »Sind das keine Sensationen, Chef?« fragte sie laut.
»Verbrennen Sie sie, ehe ich zugreife!« stöhnte Sporenka. »Ich will sie nicht gehört haben – sonst müßte ich sie bringen!«
»Ich habe Zeugen für diese Informationen! Wenn Professor Bergh gegen uns vorgehen will, bringen wir auf der Titelseite diese Dinge.«
»Er wird uns nicht verklagen.« Sporenka schüttelte
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