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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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angerufen?« Brigitte Teschendorff schaltete die Kaffeemaschine aus. »Warum brauchst du mich?«
    »Ich hatte Sehnsucht nach dir.« Bergh drehte sich weg und starrte durch die Gardine aus dem Fenster. Die Straße war sonntäglich still. In den Bäumen der Gärten lag das Gold der frühen Nachmittagssonne. Es war ein schöner Tag – und doch starb er bereits.
    »Es klang nicht nach Liebe …«, sagte Brigitte Teschendorff. »Es klang fast verzweifelt!«
    »Man kann auch verzweifelt Sehnsucht haben!«
    Der Gedanke an die aufgeritzte Arteria vertebralis und die Fortführung der Operation durch Dr. Werth, sein hilfloses Verhalten und sein abrupter Abgang aus dem OP, seine Ehrenrettung und Autoritätsfortführung durch ungerechte Behandlung der ihm unterstellten Ärzte, dieser ganze widerliche Vormittag kam wieder auf ihn zu. Bedrängender als je zuvor, denn wenn er jetzt Brigitte Teschendorff zusah, wie sie in kleinen Zügen den heißen Mokka trank, fiel eine große Ernüchterung auf sein Gemüt, eine Abwehr vor dieser Frau, die zwei Tage bei ihm gewesen war und sich jetzt mit ihm unterhielt, als säßen sie bei einer zwanglosen Kaffeestunde zusammen.
    »Wie soll das mit uns weitergehen?« fragte er, rauher als er es wollte. Brigitte Teschendorff setzte die Tasse ab.
    »Ich weiß es nicht. Weißt du es?«
    »Es kann doch nicht immer so weitergehen!«
    »Kaum.« Sie rührte mit dem kleinen, goldenen Mokkalöffel in der Tasse. »Es wird uns nach einer gewissen Zeit so gehen wie dem Besitzer einer Bonbonfabrik: Er kann keine Bonbon mehr sehen, geschweige essen. Sattsein ist die beste Entfremdung.«
    »Du bist frivol!«
    »Aber ehrlich. In diesem Falle bedeutete Frivolität Charakter. – Du weißt, ich werde bald gehen müssen.«
    Professor Bergh sah auf seine Armbanduhr. »Noch zwei Stunden und dreiundvierzig Minuten.«
    »Eine lange Zeit, wenn man warten muß.«
    »Unsinn!« Er sprang von der Couch auf und wanderte im Zimmer hin und her. Brigitte Teschendorff lächelte böse.
    »Natürlich wartest du. Jedem anderen Mann, der nicht warten würde, fiele etwas anderes ein, als sinnlos hin und her zu laufen.«
    »Ich denke an morgen«, sagte er ausweichend. »Morgen habe ich in der Klinik …«
    »Lüg nicht, Martin!« Sie lehnte sich zurück und schob den Rock ihres Kostüms über die Knie, als schäme sie sich. »Du sehnst dich danach, wieder allein zu sein. Wäre ich eine Dirne, würdest du mir die doppelte Summe zahlen, nur damit ich schnell gehe.«
    »Brigitte! Ich bitte dich!« Bergh blieb stehen. Die von ihm scheu gedachte Wahrheit, die sie so nackt aussprach, lähmte ihn. Obwohl er es spürte, begriff er nicht, daß man eine Frau zur gleichen Zeit lieben und hassen konnte, daß man sich ihrer leidenschaftlichen Umarmungen mit der gleichen Leidenschaft erinnerte und doch eine Art Ekel empfand, wenn man ihr später gegenüberstand. »Die zwei Tage sind verflogen …«
    »Wie Alkohol aus einer Flasche ohne Kolben.« Sie sah ihn groß an. Prüfend, lauernd, abwägend. Dann sprang sie plötzlich auf und ergriff ihn vorn an der Brust. Ihr Gesicht war wie aufgelöst; sie hatte keine Miene mehr, sondern nur mehr eine Fratze.
    »Ich erdulde alles!« sagte sie gefährlich leise und deutlich. »Ich lasse mich von dir behandeln wie eine Hure – aber ich teile nicht! Wenn du jemals eine andere Frau zu dir ins Haus nimmst, solange ich dich liebe, sollst du etwas erleben, was dein Ende ist – ich weiß, daß ich wiederkomme –, ich lasse mich demütigen noch und noch – aber betrügen lasse ich mich nicht! Solange es mich gibt – gibt es nur mich! Das sollst du nie vergessen!«
    »Du redest Unsinn, Brigitte«, sagte Bergh steif. Er nahm ihre Hände und löste sie von seinen Rockaufschlägen. »Ich liebe dich.«
    »Du sagst es wie eine Diagnose: Inoperables Karzinom.«
    Bergh antwortete nicht. Wie recht sie hat, dachte er. So ist es. Sie weiß besser als ich, wie es um mich steht.
    Als die Dämmerung kam, fuhr Brigitte Teschendorff ab.
    Professor Bergh winkte ihr nicht zu. Er sah ihr auch nicht durch das Fenster nach.
    Er riß, sofort nach ihrem Fortgang, alle Fenster auf und trieb den Duft ihres Parfüms und ihrer Gegenwart aus den Räumen.
    Am Mittwoch, pünktlich um neun Uhr morgens, erschien Gabriele Orth in der Klinik ›St. Emanuel‹.
    Die Sekretärin im Vorzimmer Berghs sah ab und zu von ihrer Schreibmaschine zu Gabriele Orth hinüber. Es war ein prüfender Blick. So also sieht eine Frau aus, die über Professor Bergh

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