Der rostende Ruhm
Höflichkeit als wirkliche Zärtlichkeit. »Zufrieden?«
»Ja, Joseferl.«
Brigitte Teschendorff wartete, bis ihr Mann in die Stadt gefahren war. Dann rief sie sofort Artur Sporenka an.
»Ihr Artikel war blendend«, sagte sie wieder mit verstellter Stimme. »Und er hat genau das bewirkt, was Sie und ich wollten. Herr Teschendorff – kennen Sie ihn? – ist tief beleidigt. Er wird gleich bei Ihrem Direktor sein und Anzeigen streichen.«
»Das habe ich mir gedacht.« Sporenka seufzte. Er hatte schon vier Gallenpillen genommen. Um neun Uhr morgens war bereits Gabriele Orth in der Redaktion erschienen und hatte etwas getan, was vielleicht, solange es Zeitungen gibt, einmalig und nicht nachahmenswert war: Sie hatte Sporenka den Artikel unter die Nase gehalten und gefragt: »Waren Sie das Schwein?«, und als Sporenka bejahte, hatte sie ihm eine schallende Ohrfeige gegeben und war wieder hinausgerannt.
Um neun Uhr dreizehn rief ein Herr Karel Barnowski an. Er sagte: »Ich bin Sarghändler. Wenn Sie einen Sarg brauchen, ich liefere Ihnen einen umsonst. Aber Sie müssen mir für dieses Entgegenkommen das Vergnügen machen, Sie vorher erschlagen zu können!«
Und jetzt würde Herr Fabrikant Teschendorff, der Industriekönig Wiens, kommen und alle Anzeigen seiner Firmen sperren.
»Ein Journalist muß leiden können«, sagte Sporenka. »Aber ich werde meinen Platz verteidigen!«
»Bravo!« sagte Brigitte. »Die Anzeigen sollen kein Ausfall werden. Ich bezahle jeden Verlust, den Sie durch Herrn Teschendorff haben. Ihre Zeitung soll durch die Veröffentlichung der Wahrheit nicht geschädigt werden.«
»Das ist sehr schön«, sagte Artur Sporenka mißmutig und seufzend. »Sie würden mich ganz bestimmt beruhigen, wenn Sie mir sagen würden, wer Sie sind.«
»Ich rufe Sie wieder an – in einer Stunde. Dann werden Sie wissen, was Herr Teschendorff gesagt hat. Wir können dann den Schaden zusammenrechnen und ausgleichen. Sie sollen nicht enttäuscht werden.« Brigitte lächelte vor sich hin. Aber es war ein böses, gefährliches Lächeln. »Und übermorgen bringen Sie den zweiten Artikel über Bergh.«
»Nein«, sagte Sporenka laut. Er dachte an die Ohrfeige Gabriele Orths und schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht daran!«
»Ich gebe Ihnen neues Material!«
»Und wenn Sie mir den Beweis liefern, daß Bergh überhaupt kein Arzt ist – ich bringe nichts mehr!«
»Dann zahle ich nicht!« sagte Brigitte grob. Sporenka wurde bleich und stützte den Kopf in die Hand.
»Das ist Erpressung, meine Dame!« keuchte er.
»Nennen Sie es, wie Sie's wollen – Sie bringen ab jetzt jede Woche einen Artikel über Bergh – und wenn ich ihn Ihnen diktieren müßte!«
»Was haben Sie bloß gegen den Professor?«
»Das ist für Sie ohne Interesse! Ich rufe in einer Stunde wieder an!«
Brigitte Teschendorff legte den Hörer auf. Dann blätterte sie in den Aufstellungen, die sie sich von der Werbeabteilung der Teschendorff-Werke hatte telefonisch durchgeben lassen.
Monatlicher Anzeigenfonds: ›Wiener Morgengruß‹ vierundzwanzigtausend Schillinge.
Jeden Monat vierundzwanzigtausend Schillinge – bis Berghs Ruhm verrostet war.
Sie war bereit, es zu zahlen! Ihr Haß war durch keine Ziffer mehr ausdrückbar. Wenn sie an Gabriele Orth dachte, hätte sie Millionen opfern können.
Der Haß einer Frau klammert sich nicht an Zahlen.
Von der Redaktion des ›Wiener Morgengruß‹ fuhr Gabriele Orth sofort zum St.-Emanuel-Krankenhaus. Sie wollte Dr. Bergh sprechen, bevor er selbst die Zeitung gelesen hatte oder jemand anderer ihm das Blatt versteckt oder mit Schadenfreude zuschob. Sie rannte die Treppen hinauf und fiel fast in das Zimmer der Sekretärin. »Wo ist Professor Bergh?« rief sie atemlos. »Ich muß ihn sofort sprechen! Sofort!«
Die Sekretärin sah verwundert auf das aufgeregte Mädchen. Die Journalistin, erinnerte sie sich. Der Chef hatte sie neulich durch das ganze Haus geführt.
»Er ist eben von der Operation gekommen. Sie können ihn jetzt nicht sprechen«, sagte sie steif.
Gabriele sprang auf. »Lassen Sie mich zu ihm! Bitte! Ich muß ihn sprechen, bevor jemand anderer …«
In diesem Augenblick betrat Oberarzt Dr. Werth das Sekretariat. Mit Entsetzen bemerkte Gabriele, daß aus der Tasche seines weißen Mantels zusammengefaltet ein Exemplar des ›Wiener Morgengruß‹ hervorsah.
»Ach!« Der Oberarzt trat auf Gabriele zu. »Sind Sie nicht vom ›Morgengruß‹? Von diesem Mistblatt?!« Seine Stimme bebte vor
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