Der rostende Ruhm
Sie anzeigen!« schrie Czernik.
»Ich handelte im Auftrag von Herrn Bernsteg …«
»Wer ist denn das?« fragte Czernik.
»Unser Verwaltungsdirektor.« Bergh setzte sich. Sein Gesicht war verbissen und irgendwie vergrämt. »Der mächtigste Mann im Haus! Der Intimus des Kuratoriums, in dessen Namen er regiert wie ein Souverän! Wir alle sind nur seine Arbeitssklaven. Er allein bestimmt, wieviel Material ich aufwenden darf, um Kranke leidlich gesund zu machen.«
»Ich habe das Kuratorium für morgen zu einer Sondersitzung gebeten.« Dr. Czernik sah sich nach Wortischek um. Es war, als ob man sich nach einem ekligen Tier umsieht. »Was will er hier?«
»Spionieren.«
»Und Sie werfen ihn nicht hinaus, Herr Professor?«
»Aber nein.« Bergh lächelte gequält. »Erst will ich ihm die Informationen geben, die man von ihm erwartet. Also, Wortischek, hören Sie zu und vergessen Sie nichts: Ich arbeite hier weiter! Ich komme soeben vom Bundeskanzler und habe die volle Unterstützung bekommen. Was das Kuratorium sagt, was die Zeitungen schreiben, was vor allem Herr Bernsteg anordnet – das alles interessiert mich nicht mehr! Ich stehe hier für das Wohl der Gesundheit von Tausenden kranker Menschen – ihnen gegenüber bin ich voll verantwortlich, sonst keinem!« Er hob die Hand und stieß sie vor, als wolle er Wortischek aus dem Zimmer drücken. »Und jetzt gehen Sie! Sofort! Schnell! Herr Bernsteg hat noch viele Telefongespräche zu führen – man wartet auf Sie!«
Dr. Czernik stieß die Tür auf. Wortischek machte ein paar Schritte – dann blieb er in der Tür stehen und drehte sich langsam herum.
»Herr Professor …«, sagte er mit seiner dumpfen Stimme.
»Hinaus!«
»… ich möchte wieder bei Ihnen arbeiten!«
Mit einer Schnelligkeit, die keiner ihm zugetraut hätte, verließ er das Zimmer und schloß hinter sich die Tür. Bergh sah Dr. Czernik verblüfft an.
»Haben Sie das gehört?« fragte er unsicher.
»Ich würde es tun, Herr Professor.« Czernik trat näher und legte seinen Mantel ab. »Es heißt jetzt, Freunde sammeln.«
Bergh wischte sich über die Augen. Er war erschöpft und strengte sich nicht an, es zu verbergen.
»Was habe ich getan«, sagte er leise, »daß ich um jeden Händedruck, um jedes Lächeln, um jedes Fünkchen Vertrauen so kämpfen muß?«
»Sie wurden zu groß, Bergh.« Dr. Czernik legte ihm die Hand auf die Schulter. Es war Trost und Aufrichtung zugleich. »Das ist alles …«
Direktor Bernsteg hatte nach der Rückkehr Wortischeks zwei Dinge zu tun, die ihn aus dem bisherigen Gleichgewicht seiner unbestrittenen Stellung herausrissen.
Er führte einige sehr erregte Telefonate und verstand dann seine Umgebung im speziellen und die Welt im allgemeinen nicht mehr.
Als zweites erlebte er eine Niederlage durch Wortischek, die ihn bis ins Innerste traf.
»Jetzt habe ich Ihnen alles gesagt.« Wortischek stand vor Bernsteg und hatte wieder seinen weißen Krankenpflegerkittel an. Bernsteg hatte es erst gar nicht beachtet, nun sah er auf und nickte.
»Sie haben gut gearbeitet.«
»Es war das letzte, was ich für Sie getan habe.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich gehe zu dem Professor zurück.«
Bernsteg legte den Bleistift, mit dem er sich die Neuigkeiten Wortischeks notiert hatte, mit einem Ruck auf die Papiere.
»Sind Sie geistesgestört, Wortischek?«
»Ich arbeite wieder im OP! Ich will mit Ihnen nichts mehr zu tun haben!«
»Wortischek!« Direktor Bernsteg sprang auf. Sein rundes, arrogantes Gesicht verlor die Form. Es zerfloß. »Was soll das heißen?«
»Sie sind ein Schwein!« sagte Wortischek dumpf. Es klang, als spucke er das Wort aus. Bernsteg umklammerte die Tischkante, aber er antwortete nicht. Er starrte Wortischek an und spürte die Worte, die der Krankenpfleger weiter sprach, wie körperliche Schläge.
»Sie wollen den Professor fertigmachen, Sie und diese Frau Teschendorff. Nur weil Sie einen Überschuß aus der Klinik ziehen wollen, an dem Sie beteiligt sind!«
»Hinaus!« sagte Bernsteg heiser.
»Ich gehe ja schon. Aber kommen Sie nie mehr hinüber zu den Stationen! Wenn ich Sie auf irgendeinem Flur sehe, werfe ich Sie aus dem nächsten Fenster! So wahr ich Wortischek heiße!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er das Büro des Verwaltungsdirektors und ging durch den Klinikgarten hinüber zur chirurgischen Station. Direktor Bernsteg setzte sich, als Wortischek das Zimmer verlassen hatte. Er war einen Augenblick wie betäubt. Woher diese
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