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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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plötzliche Gegenstimmung? grübelte er. Wenn ein Wortischek zu Bergh zurückgeht, wie muß es dann in der Klinik selbst aussehen? Das ist ja ein Erdrutsch, ein Bergsturz der Meinung …
    Er trank ein Glas Wasser und rief dann zunächst Josef Teschendorff an. Dann unterrichtete er Baron v. Boltenstern und zuletzt Brigitte.
    Die Versammlung der Ärzte im Chefzimmer war beendet. Was Professor Bergh ihnen gesagt hatte, war das gewesen, was sie erwartet hatten. Keine Rechtfertigung, keine Kommentare zu den Angriffen, keine neuen Pläne – er hatte seine Ärzte einzeln angesehen, so, als wolle er aus ihren Augen herauslesen, was sie über ihn dachten. Dann hatte er sich hinter seinen großen Schreibtisch gestellt, die Operationspläne von Dr. Werth und Dr. Thoma entgegengenommen und sie mit schnellen Blicken überflogen.
    »Wir machen weiter!« Das war das einzige Wort, das irgendwie auf die vergangenen Tage hinwies und sie damit wegwischte. »Die Herren sind von Oberarzt Werth instruiert worden. Ich selbst übernehme im OP I die Hämatothorax. Ich danke Ihnen, meine Herren.«
    Hochaufgerichtet blieb er hinter seinem Schreibtisch stehen, bis die Ärzte das Zimmer verlassen hatten. Das Bild des souveränen Chefs sollten sie mitnehmen. Es sollte sich nichts geändert haben. Erst als sie aus dem Zimmer waren und ein junger Assistent leise die Tür schloß, als könne ein Zuklappen den großen Professor erschrecken, fiel die Maske von ihm ab. Sein Oberkörper, gestrafft wie bei einem Schulreiter, sank zusammen. Vor Dr. Czernik hatte er es nicht nötig. Er hatte den Zusammenbruch erlebt und ihn aus München weggeleitet wie einen seelisch schwer Erkrankten.
    Czernik steckte sich eine Zigarette an und betrachtete ein Röntgenbild, das in den Lichtkasten geschoben war. Es war die Aufnahme eines Magenkarzinoms, das Oberarzt Dr. Werth in diesem Stadium für inoperabel erklärt hatte.
    »Ich komme auf einen Gedanken zurück, der mir schon in München kam«, sagte Czernik langsam und schaltete die Leuchtröhre hinter dem Röntgenbild aus. »Sie sollten eine große Operation machen – vor der Öffentlichkeit!«
    »Auf dem Wiener Wochenmarkt, was?« Bergh trat erregt an das Fenster. Als er hinunterblickte in den Garten, sah er Wortischek in seinem weißen Krankenpflegerkittel über den Rasen gehen. Er begrüßte einige Patienten und rief ihnen etwas zu. Die Kranken lachten laut. Es mußte wieder einer der berühmten Wortischek-Witze sein, die er mit dem dumpfesten Gesicht erzählte, als wolle er vor Trostlosigkeit losheulen.
    »Und wenn ich operiere«, sagte Bergh langsam, »was wäre dabei gewonnen?«
    »Ganz Österreich, ganz Europa würde Ihnen zusehen! Würde auf Ihre Finger starren und nach der letzten Naht ausrufen: Seht – er ist doch ein Genie!«
    »Und dann?«
    »Dann wären Sie auf einem Gipfel, den keine Neider mehr erreichen.«
    Bergh hob die Schultern, als friere er. »Ich will auf Ihren Vorschlag eingehen …«
    »Bravo!« rief Dr. Czernik. »Sie werden diesen Spuk wegwischen! Ich werde aus den Neueingängen eine Operation für Sie aussuchen«, sagte Czernik. »Und ich werde Ihnen assistieren. Die Welt soll sehen, daß wir auf alle Diffamierungen pfeifen!«
    »Die Regie überlasse ich Ihnen.« Bergh starrte zu Czernik empor, der rauchend im Zimmer auf und ab ging. »Aber ich bin kein gemütlicher Star. Ich habe Launen und Allüren. Es könnte ein schlechtes Schauspiel werden.«
    »Das überlassen Sie mir.« Dr. Czernik blieb ruckartig stehen. »Wann wollen wir die Zweifler überzeugen?«
    »Nächsten Freitag!« Bergh erhob sich. »Der Bürger kann dann Samstag und Sonntag diskutieren.« Er lächelte schwach, fast mitleiderregend. »Sie sehen, wie gut ich das Thema des Volkes – ›Brot und Spiele‹ – verstehe! Ich sorge sogar für die feiertägliche Unterhaltung …«
    Es klopfte. Hart, als schlage jemand mit der Faust gegen die Tür. Dann trat Herbert Wortischek herein, breit lächelnd, die großen Hände an die Seiten legend, als stehe er wie ein Rekrut vor seinem Vorgesetzten stramm.
    »Hier bin ich, Herr Professor!« sagte er laut. Man hörte es draußen auf dem Gang. »Und ich gehe erst wieder weg, wenn Sie mich totschlagen, Herr Professor …«
    Artur Sporenka lag im Bett.
    Das heißt, er rannte wie ein Wiesel ins Schlafzimmer und schlüpfte unter die Decken, als es bei ihm schellte. Im Flur hörte er einen kurzen Wortwechsel mit der Aufwartefrau, die geöffnet hatte, dann klopfte es an der Tür, und auf sein

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