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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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kommen. Es sei vorbei, aber die Fenster und Türen seien heraus. Ich konnte mir das nicht recht erklären. Tatsächlich lagen die Haustüren im Flur, und in der Wohnung waren sämtliche Fensterscheiben heraus und alles mit Glasscherben übersät. Die Verdunkelungs-Rouleaux hingen in Fetzen an den Fenstern. Brandbomben waren auf unser Haus nicht gefallen, aber es brannten die Dachstühle der beiden übernächsten Häuser von rechts und von links lichterloh. Zu retten war dort ohne Feuerwehr nichts mehr, aber der Wind stand gut und trug die Funken von uns weg. Gegenüber auf dem Stephanienplatz brannte das neue Gemeindehaus, in dem die Lazarett-Verwaltung war, wie eine Fackel. Es sah grausig schön aus, wie glühendes Glas. Die Kirche fing auch schon an zu brennen, und aus einer Ecke schlug eine hohe Stichflamme. Wir nahmen in unbegreiflicher Naivität an, daß es nun vorbei sei und versuchten, von unserem Hab und Gut das wichtigste in Sicherheit zu bringen für den Fall, daß das Feuer der Nachbarhäuser um sich greifen würde. So haben wir zwei Stunden lang geräumt aus Leibeskräften und unsere sämtlichen Federbetten, Matratzen, alle Kleidung, alle Schuhe, das Silber, zwei Radios, Porzellan usw. mit einem Handwagen unter Mithilfe einer wackeren Arbeitsmaid nach dem Hause Hähnelstraße 13 gebracht. Dort ist es dann beim zweiten Angriff alles verbrannt.
     
    Dresden Der Luftschutzpolizist Alfred Birke
    Die Villen an der Bürgerwiese brennen bereits bis ins Erdgeschoß. So komme ich nicht weiter, aber ich muß hier durch, wenn ich zum Albertinum will. Ich biege in die Anlagen der Bürgerwiese ein, fahre auf Parkwegen und auf dem Rasen, erkenne einen Teich zu spät, der Wagen kippt nach vorn, im letzten Augenblick kann ich ihn abfangen. Im Schein des Feuers, behindert durch die in Rot getauchten Qualmwolken erreiche ich den Georgplatz. Flammen schlagen aus den geschlossenen Häuserfronten, aus der Kreuzschule, der Waisenhausstraße. Im Schrittempo steuere ich den Adler in die breite Ringstraße... Nicht ein lebendes Wesen, dem ich begegne. Am Pirnaischen Platz liegen drei nackte Leichen, eine Frau und zwei Kinder. Ich passe auf, will nicht über sie fahren. Endlich lichtet sich der Rauch ein wenig, die Feuersbrunst tritt zurück. Das Viertel hinter der Frauenkirche ist wohl nicht so sehr in Mitleidenschaft gezogen. Noch wenige Meter, und ich stelle den Wagen an der Längsfront des Albertinums ab. Unweit des Eingangs parken noch fünfzehn andere Pkw.
     
    Dresden Die Hauswirtschaftslehrerin Herta Daecke
    Wir verlassen den Keller und verteilen die Arbeit, denn trotzdem unser Haus steht, sind natürlich alle Türen und Fenster heraus und Teile sind eingestürzt oder sonst beschädigt. Da gegenüber das Altersheim brennt, helfen einige von uns die alten Leute retten und Hausrat hinaustragen – andere übernehmen die Brandwache in den Zimmern, da die Funken von gegenüberhereinfliegen, und ich übernehme die Brandwache auf dem Dach. Die Hamburger Jungens und der alte Herr Fuchs bringen laufend Wasser herauf, und ich bediene die Spritze. Ich muß immerzu Funken löschen und mit der Feuerpatsche ausschlagen. Der Sturm wütet, und ein Regen setzt ein. Ein schaurig schöner Anblick bietet sich mir über Dresden. An allen Ecken brennt es, und meine Landesbauernschaft steht von unten bis oben in gelben Flammen. Der Rathausturm steht noch, aber der Turm beim Hauptbahnhof wird immer mehr umzingelt und neigt sich immer mehr.
     
    Dresden/Schweizerviertel Ernst Heinrich Prinz von Sachsen 1 896–1971
    Als wir in die Wohnung zurückgingen, stellten wir fest, daß außer zerbrochenen Fensterscheiben nichts weiter passiert war. Auch die unmittelbare Nachbarschaft war nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. In der Ferne sahen wir einzelne beginnende Brände. Da die Langemarckstraße, in der Gina wohnte, etwa drei Kilometer von der Innenstadt entfernt war, konnte man sich von dem Umfang des Angriffs kein rechtes Bild machen, denn die Brände waren erst in der Entwicklung. So dachten wir, daß der Angriff nicht allzu schwer gewesen sei, aber das war eine große Täuschung.
    Wir gingen sofort, um nach Ginas Eltern zu sehen, die in einer Pension in der Reichsstraße wohnten. Das Haus hatte einen schweren Treffer erhalten, aber der Oberst Dulon und seine Frau, meine späteren Schwiegereltern, waren gottlob gesund. Wir nahmen sie mit in Ginas Wohnung und gingen daran, einigermaßenOrdnung zu schaffen. Mein braver kleiner DKW- Wagen war

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