Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
Finnland, Rumänien, Bulgarien und die Türkei preisgeben müssen. Und das war für mich ausgeschlossen. Es war mit der Sendung des Dritten Reiches als Verteidiger und Beschützer des Abendlandes unvereinbar, die befreundeten Länder auf dem Altar des Bolschewismus zu opfern. Ein solches Verhalten war ehrlos, und wir wären dafür einmal erst recht bestraft worden. Eine jämmerliche Fehlrechnung, sowohl vom moralischen wie vom militärischen Standpunkt aus. Was wir auch taten, so oder so, der Krieg gegen Rußland blieb unvermeidlich, und wir liefen höchstens Gefahr, ihn später unter wesentlich ungünstigeren Voraussetzungen führen zu müssen.
Noch am Tage der Abreise Molotows habe ich daher Aufmarschvorbereitungen befohlen, um die Rechnung mit Rußland beim Anbruch der ersten schönen Tage ins reine zu bringen.
Berlin Erich Kästner 1899–1974
Heute mittag der vierte Angriff auf Sachsens Mitte, besonders auf Dresden. Da ein Teil der Flugverbände nach Norden abschwenkte, saß auch Berlin im Keller. Die Vorstellung, daß die beiden alten Leute, seit vorgestern nacht, womöglich ohne Wohnung, irgendwo zwischen Trümmern hocken und daß die Mama meine zwei Manuskriptmappen, trotz Furcht und Tod und Teufeln, eisern umklammert hält, macht mich krank. (Es ist zweifellos viel wirkungsvoller, wenn jemand unsere Angehörigen quält statt uns selber. Die Methode gehört zu den ältesten und probatesten Hausmitteln der Menschheit.)
Bei der Überlegung, daß täglich zehn- und fünfzehntausend Flugzeuge über Deutschland Bomben abwerfen und daß wir, längst ohne jede Gegenwehr, stillhalten müssen und, wie das Rindvieh auf den Schlachthöfen, tatsächlich stillhalten, bleibt einem der Verstand stehen. Wann werde ich Nachricht haben?
Dresden Hermann Weinert 1881–1954
Nach Einschalten der mehrere Stunden aushaltenden elektrischen Notbeleuchtung jagten wir zum Wasserhydranten unter dem Altarkeller. Acht Doppelanschlüsse waren dazu bestimmt, jeden Brand im Kircheninnern zu ersticken. Der Wasserdruck war so stark, daß es bei den Übungen immer spielend gelang, die vier Seitentürme der Kuppel mit Wassermassen zu überschütten. Welch ein Schreck, als sich nach dem Niedergehen der Sprengbomben herausstellte, daß jede Wasserzufuhr abgeschnitten war. Die Schutzmannschaftwurde mit Handspritzen, Eimern, Spitzhacken usw. versehen.
Eine am Neumarkt niedergehende Bombe erschütterte das Kirchengebäude derartig, daß die über sieben Zentner schwere Sandsteinflammenvase des Glockenturmes C abstürzte. Wir Luftschutzleute, in 6 Meter Kellertiefe, wurden vom Luftdruck so auf die Kellersohle geworfen, daß wir erst nach einigen Minuten mit durchgeschlagenen Ellbogen mühsam aufstehen konnten. [...]
Beim zweiten Alarm nach Mitternacht hielten sich 300 hilfesuchende Menschen, darunter Wöchnerinnen mit dreitägigen Kindern, in den Kirchenkellern auf. Kritisch wurde die Lage, als nach 1 Uhr die Lohewelle des durch Kautschukbomben schwer getroffenen Landbauamtes die doppelt verglasten großen Fenster links und rechts des Portals C zum Platzen brachten. Sechs andere große Arkadenfenster waren in den Monaten vorher restlos zugemauert worden. Die Versuche, mit kleinem Löschgerät der Gefahr beizukommen, mußten wegen Mangel an Sauerstoff bald aufgegeben werden, da sowohl das neue eichene Schiffsgestühl als auch die Bänke auf den fünf Emporen gleichzeitig Feuer fingen, welches mit unvorstellbarer Vehemenz durch die aufgesprungenen Eingangstüren raste.
Man mußte sich wider Willen darauf beschränken, den letzten verbliebenen Ausgang, am Portal G, für die gefährdeten Menschen zu erhalten, indem man die schweren, eichenen Windfangtüren mit Spitzhacken zusammenschlug.
Auch im Keller stieg die Gefahr von Stunde zu Stunde. Die mit starken Eichenbohlen belegten Öffnungender Fernheizanlage im Kirchenschiff brannten aus, die brennenden Stücke stürzten herab und mußten wegen der Verqualmung gelöscht werden. Dadurch und durch das fortgesetzte Eintauchen der Taschentücher ging der Inhalt der bereitgestellten zwölf Wassertonnen zu Ende. In der höchsten Not meldeten die beiden militärischen Helfer, daß man den Versuch zum Aufstieg wagen möchte. Über den brennenden Asphalt, zwischen Landbauamt und »Stadt Petersburg«, wurden doppelte Sturmreihen gebildet. Hand in Hand brachte man die erschöpften Menschen bis auf die Brühlsche Terrasse bis zum Standbild von Ludwig Richter. [...]
Die in der Bevölkerung genannten
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