Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Menschen zum Lebensunterhalt umbrachten, doch trotzdem fühlende Wesen waren.
Es war noch ein dritter Mann bei ihnen, und dieser war der schönste. Er hatte geschliffene Manieren und ein gutes Aussehen. Und er errötete.
»Und Ihr seid der Knappe des Hauptmanns«, sagte sie.
Er zuckte die Schultern. »Das ist ungerecht. Mein Ruf eilt mir voraus.«
»Äfft nicht Euren Herrn nach«, tadelte Miram. »Ihr drei hochwohlgeborenen Herren solltet Euch schämen. Geht jetzt.«
Lyliard wirkte beschämt. »Seht, Schwester, uns verlangt doch nur nach ein wenig weiblicher Gesellschaft. Wir sind keine schlechten Männer.«
Sie schnaubte verächtlich. »Wollt Ihr damit etwa sagen, dass Ihr für das bezahlt, was Ihr Euch nehmt?« Sie sah die drei hintereinander an. »Ihr verführt die Unschuldigen, anstatt sie zu vergewaltigen? Soll mich das beeindrucken?«
Der Knappe des Hauptmanns schnaubte leise. Mit der linken Hand betastete er die Bandage um seine Hüfte. »Ihr habt wirklich keine Vorstellung davon, was oder wer wir sind. Und wogegen wir kämpfen.«
Miram fing seinen Blick auf und trat so nahe an ihn heran wie an einen Geliebten. Ihre Nasenspitzen berührten sich beinahe. Seine Augen waren blau, und früher hatte sie hübsche Männer durchaus genossen.
Ihre Augen waren von einem tiefen, alten Grün.
»Ich weiß, junger Knappe«, sagte sie. »Ich weiß genau, wogegen Ihr kämpft.« Sie blinzelte nicht, und er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. »Spart Euch Euer Posieren für die Huren, Junge . Und jetzt geht und sprecht zwanzig Vaterunser, und zwar mit dem Herzen, und denkt darüber nach, was es bedeuten könnte, ein Ritter zu sein.«
Michael hätte sich gern verteidigt, doch sobald sie ihn nicht mehr ansah, geriet er ins Taumeln.
Sie lächelte die drei Männer an, und diese wichen von der Tür zurück.
Schwester Miram ging in die Wäscherei hinein, wo die Lanthorn-Mädchen verängstigt ihre nackten Beine zu bedecken versuchten.
Schwester Mary kam mit einem großen Korb herein. »Miram!«, rief sie. »Was ist hier los?«
»Das Übliche«, antwortete Miram und machte sich daran, nach ihrer verschwundenen Haube zu suchen.
Nördlich von Lissen Carak · Thorn
Thorn war von der Geringschätzung des alten Bären verletzt. Auf dem Rückweg dachte er darüber nach, wie es den Menschen auf dem Felsen hatte gelingen können, ihm gleich zwei Niederlagen zuzufügen. Er musste sich der harten Wahrheit stellen, denn für die Irks und die Kobolde und sogar für die Dämonen bedeuteten diese kleinen brennenden Nadelstiche wahre Niederlagen.
Er glaubte nicht, dass ihn einer seiner Leutnants deswegen zur Rede stellen würde, und auf seinem Weg streckte er seine inneren Fühler immer weiter nach Osten aus, bis er die starke Falschheit der Eindringlinge spürte. Sie ähnelten nicht den Bauern, den Nonnen oder den Schäfern in der Festung. Sie rochen nach Gewalt.
Er hatte ihre Art schon immer gehasst, auch als er noch als Mensch unter ihnen einhergewandelt war.
Überdies konnte er in der Festung, umgeben von all diesem kalten, von Menschenhand behauenen Stein und von einem äonenalten Zauber und Bollwerk gegen seine eigene Magie, die Äbtissin wie eine Sonne der Macht spüren, während sich ihre Nonnen gleich einem Sternenfeld hinter ihr befanden.
Er zuckte vor ihr zurück.
Und die Fühler seiner tastenden Macht erkannten eine andere, dunklere Sonne – das Leuchtfeuer, das die Dämonen gesehen hatten, das auch Thurkan, der heftigste aller Dämonen, gesehen hatte. Den Umschildeten, der – wenn auch nur für kurze Zeit – seinem Walten auf dem Schlachtfeld widerstanden hatte.
Die Bären hatten ihn nicht wirklich abgewiesen. Aber sie hatten ihm auch nicht anders geholfen als mit ein paar wütenden Kriegern, die Rache üben wollten. Er sog die klare Luft tief in sich hinein, wandte sich nach Norden, zurück in die Berge, und machte immer längere Schritte, bis er schließlich lief. Sein riesenhafter Körper bewegte sich nun schneller als das schnellste Pferd. Er konnte überall hingelangen, wenn er sich eines Phantasmas bediente, aber plötzlich scheute er davor zurück, zu viel Macht zu verwenden. Macht lockte Macht an, und in der Wildnis konnte das ein schnelles Ende bedeuten. Allzu oft erschien dann plötzlich etwas, das größer war als man selbst. Und das einen fraß.
Während er über die Waldstraßen lief, stellte sich Thorn vor, wie er Thurkan fraß.
Lissen Carak · Kaitlin
Die vier Lanthorn-Mädchen erholten
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