Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
weichherzig – oder auch nur zu vernünftig – gewesen, um sie in ihrem Zustand nach Albinkirk zu treiben.
Peter fragte sich gerade, ob er es übers Herz bringen würde, sie zu schlachten, als er hörte, wie die Tür der Scheune quietschte.
Er sah, wie die Kreatur der Wildnis eintrat. Sie war nackt, leuchtend rot, die Parodie von Haaren auf ihrem Kopf wirkte wie eine schockierende Flammenzunge. Sie hatte einen Pfeil in ihren Bogen eingelegt; die Eisenspitze blinkte bösartig und war auf Peters Brust gerichtet.
Peter nickte. Seine Kehle hatte sich zusammengeschnürt. Er kämpfte gegen den Kloß in seinem Hals und gegen das Zittern seiner Arme an und sagte mühsam: »Hallo.«
Das rote Wesen verzog die Lippen, als hätte es etwas Schlechtes gerochen, und Peters Blickwinkel veränderte sich. Es war ein Mensch – ein Mann in roter Bemalung, und seine Haare waren voll von rötlichem Schlamm.
Peter drehte sich ein wenig um, damit er den Mann besser sehen konnte, und hielt die leeren Hände hoch. »Ich werde kein Sklave mehr sein«, sagte er.
Der rote Mann hob den Kopf und sah an seiner Nase entlang Peter an, der erzitterte. Der Pfeil, der in dem gespannten Bogen steckte, blieb ganz still.
»Ti natack onah!«, sagte der rote Mann in einem Ton der Autorität. Es war eine menschliche Stimme.
»Ich verstehe nicht«, erwiderte Peter. Seine Stimme zitterte. Der rote Mann war offensichtlich so etwas wie ein Anführer, was bedeuten konnte, dass noch andere in der Gegend waren. Was immer sie sein mochten, sie waren jedenfalls nicht das, was Peter erwartet hatte. Sie machten ihm Hoffnung, und gleichzeitig zerschmetterten sie diese wieder.
»Ti natack onah!«, wiederholte der Mann mit wachsender Eindringlichkeit. » TI NATACK ONAH. «
Peter hob die Hände. »Ich ergebe mich!«, sagte er.
Der rote Mann schoss seinen Pfeil ab.
Er flog an Peter vorbei, verfehlte ihn nur um Armesbreite, und Peter spürte, wie sich seine Gedärme entleerten. Er ging in die Hocke, die Knie versagten ihm den Dienst. Er schlang die Arme um sich und verfluchte seine Schwäche. So schnell werde ich also wieder zum Sklaven.
Hinter ihm ertönte ein Schrei.
Der rote Mann hatte seinen Pfeil in den Kopf der Sau geschossen. Nun zuckte sie noch einige Male, dann war sie tot.
Plötzlich stand die Scheune voller bemalter Männer – rot, rot und schwarz, schwarz mit weißen Handabdrücken, schwarz mit einem aufgemalten Schädel. Sie wirkten erschreckend, und sie bewegten sich mit einer fließenden, muskulösen Anmut, die schlimmer war, als er es sich bei den Kreaturen der Wildnis vorstellte. Während er zusah, schlachteten sie die Sau und ihre ungeborenen Ferkel. Dann wurde er grob, aber ohne Boshaftigkeit aus der Scheune geschleift, und der rote Mann entzündete eine Fackel mit sehr gewöhnlich wirkenden Hilfsmitteln und setzte die Schindeln der Scheune in Brand.
Trotz des wochenlangen Regens loderte sie sofort lichterloh.
Weitere Krieger kamen herbei, dann noch mehr – innerhalb einer Stunde waren es etwa fünfzig. Sie gingen durch die Hütte, und als das Dach der Scheune in das brennende Inferno stürzte, sammelten sie halb verbrannte Balken und machten ein kleineres Feuer daraus, dann ein zweites und noch eines, bis sie eine ganze Reihe von Feuern hatten, die an der Wand der kleinen Hütte entlangliefen. Nun steckten sie die ungeborenen Ferkel an grüne Erlenstecken und einige Eisenstäbe, die sie in der Hütte gefunden hatten, und brieten sie. Andere Männer fanden den unterirdischen Vorratsraum und warfen getrocknetes Getreide in die Flammen – sowie unzählige Äpfel.
Inzwischen waren etwa hundert bemalte Männer und auch Frauen zusammengekommen, und die Dunkelheit setzte ein. Die meisten hatten Bögen und Pfeile, einige auch ein langes Messer oder ein Schwert, in einigen Fällen sogar zwei Schwerter. Ein paar trugen die Haare lang herabfallend und in leuchtenden Farben, doch die meisten hatten nur einen einzigen Haarstreifen auf dem Kopf und einen weiteren vor ihren Genitalien. Sie hatten eine seltsame Wirkung auf Peter, und erst als sich sein Hirn allmählich an ihren Anblick gewöhnt hatte, bemerkte er, dass sie kein Gramm Fett am Körper hatten.
Kein Fett.
Wie Sklaven.
Niemand beachtete ihn. Er stellte keine Bedrohung dar, aber er war auch zu nichts zu gebrauchen. Er hatte ein Dutzend Gelegenheiten wegzurennen, und er begab sich tatsächlich bis zum Rande der Lichtung, auf der das Gehöft lag. Um Platz für die Feldfrüchte zu
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