Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
besorgen konnte. Stumm gab ihm der Mann ein Dutzend.
»Warum?«, fragte Peter. »Kämpft nicht jeder gegen jeden?«
Ota Qwan lachte. »Du weißt gar nichts«, sagte er. »Folgst du mir etwa nicht? Wirst du mir gehorchen, wenn die Pfeile fliegen und der Stahl die Luft erfüllt?«
Peter dachte darüber nach. »Vermutlich.«
Ota Qwan lachte noch einmal. »Komm, wir suchen dir einen Namen aus.«
Südlich von Albinkirk · De Vrailly
Jean de Vrailly bezwang seine Ungeduld, und wie immer verwandelte sie sich in Wut. Das Erblühen dieser Wut verschaffte ihm stets das Gefühl, sündig, schmutzig und kein vollwertiger Mann und Ritter zu sein. Während sie über die Frühlingsblumen und entlang der hohen Bergkämme von Albias fruchtbarem Kernland ritten, zügelte er plötzlich sein zweites Schlachtross und stieg zur Verwirrung seiner Waffengenossen ab. Er kniete sich in den Schmutz neben der Straße und betete.
Der milde Schmerz des langen Kniens beruhigte ihn immer wieder.
Bilder stiegen an die Oberfläche seines Denkens, als er sich die Kreuzigung Christi vorstellte, und ebenso, als er sich als einer der Ritter sah, die zur Rettung des heiligen Grabes ausgesandt wurden, oder als er sich in die Meditation über die heiligen drei Könige versenkte und sich als einfachen Wächter betrachtete, der auf seinem Pferd hinter den Weisen saß, die das neugeborene Lamm anbeteten.
Verachtung durchbrach seine Tagträume. Er verabscheute den König von Albia, der in jedem Ort anhielt, um vor seinen Untertanen zu posieren und ihr Seufzen sowie ihr schallendes Gelächter hervorzurufen versuchte. Er bemühte sich, ihre Ängste zu ersticken und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Das alles wurde mit zu viel Theatralik durchgeführt und kostete zu viel Zeit. Es war selbst für ein Kind offensichtlich, dass etwas im Norden geschah, das ein sofortiges Einschreiten der Panzerhand des Reiches erforderte.
Abscheu. Die Ritter von Albia waren langsam, träge, voller Gemeinheit und Barbarei. Sie tranken, sie fraßen zu viel, sie rülpsten und furzten bei Tisch, und nie, niemals übten sie den Kampf. Jean de Vrailly und sein Gefolge ritten in voller Rüstung von Ort zu Ort, trugen fest gepolsterte Jacken unter ihren Kettenhemden und darüber glänzende Stahlplatten – drei Schichten Schutz, die jeder Ritter im Osten an einem jeden Tag seines Lebens trug – in der Stadt, in der Kirche und selbst dann, wenn er nur mit der Dame seines Herzens ausritt.
Die Wildnis hatte seit einem Jahrhundert keinen wesentlichen Ausfall mehr in den Osten unternommen, doch die Ritterschaft stand bereit, jederzeit gegen sie zu kämpfen.
Aber hier, wo verwilderte Bäume auf jedem Bergkamm standen und Überfälle der Wildnis jede Stadt entlang des Horizonts bedrohten, trugen die Ritter farbenfrohe Hemden mit modisch lang herabhängenden Ärmeln, spitze Schuhe und sorgfältig eingewickelte Hüte wie die Turbane aus dem fernen Osten, während ihre Rüstungen in Weidenkörben oder Eichenfässern verstaut waren.
Und nun, vier Tagesreisen von Albinkirk entfernt, befand sich eine Abteilung jüngerer königlicher Ritter und Knappen auf der Beize. Sie waren auf ihren Zeltern zu den Hügelkämmen im Westen geritten, und am liebsten hätte er sie für ihre leichtfertige Dummheit bestraft. Diese verweichlichten Barbaren mussten lernen, was Krieg wirklich bedeutete. Sie mussten lernen, ihre Lederhandschuhe auszuziehen und das Gewicht des kalten Stahls in ihren zarten Händen zu spüren.
Er betete und fühlte sich besser. Es gelang ihm, den König anzulächeln und einem jungen Knappen zuzunicken, der in schlechter Manier die Kolonne entlanggaloppierte und dabei eine Staubwolke aufwirbelte. Er saß auf einer heißblütigen Stute aus dem Osten, die als Rennpferd hundert Leoparden teuer, als Kriegspferd aber völlig wertlos war.
Doch als die Armee, die jeden Tag anwuchs, weil aus jeder Stadt, aus jeder Grafschaft und jedem Herrensitz neue Ritter, Soldaten und Bogenschützen hinzukamen, zur Nacht anhielt, befahl de Vrailly seinen Knappen, seinen Pavillon so weit entfernt wie möglich vom Rest der Armee aufzuschlagen – draußen bei den Pferden, umgeben von Tieren. Er nahm zusammen mit seinem Vetter ein einfaches Soldatenmahl zu sich, rief dann Pater Hugh, seinen Kaplan, herbei, damit er die Messe hören und seine Sünden der Leidenschaft beichten konnte. Schließlich badete er spirituell gesäubert im Wasser des Albin, des mächtigen Stromes, der vor seinem Zelt dahinfloss. Er
Weitere Kostenlose Bücher