Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Schultern. »Und das bezieht sich nur auf den kommenden Winter. Im Frühling wird es noch schlimmer werden.«
Harmodius sah den Kaufmann an, als hätte ihm dieser gerade ein Märchen erzählt. Dann schüttelte er den Kopf. »Dieser Morgen war sehr ereignisreich, Meister Kaufmann. Wir sollten uns auf den Weg machen, wenn Ihr einverstanden seid.«
Random nickte. »Jawohl. Wir werden uns auf den Weg machen – auf den Heimweg. Auch wenn ich dabei eine Menge Geld verliere.« Und niemals Bürgermeister werde.
Lissen Carak · Michael
Die Belagerung von Lissen Carak. Zweiter Tag.
Michael beleckte die Federspitze und bemalte dabei geistesabwesend seinen Mundwinkel mit Gallus- und Eisentinte.
Heute haben all die einfachen Leute beim Ausheben des Grabens mitgeholfen. Ich füge eine kleine Skizze der Arbeiten an, die sich vom Tor der Unterstadt bis zum Bollwerk der Brückenfestung erstrecken; das sind vierhundertvierundzwanzig Schritte. Mit knapp eintausend arbeitenden Männern und Frauen haben wir den Graben in zwei Tagen fertigstellen können. Der Aushub wurde zu beiden Seiten in einem niedrigen Wall aufgeschichtet, und der Hauptmann hat uns befohlen, Stäbe aus unseren Vorräten am Rande des Grabens aufzustellen – sie stammen von den Palisaden, die wir einrammen, wenn wir unser Lager aufschlagen.
Den ganzen Tag hindurch lag ein dichter Nebel über der gesamten Länge des Grabens. Dieses Phantasma wurde von der Äbtissin gewirkt und von den guten Schwestern aufrechterhalten, deren Gebete zu jeder Stunde in der Kapelle zu hören sind.
Der Feind hat den ganzen Tag über versucht, unsere neuen Arbeiten auszuforschen. Die Luft ist von Vögeln erfüllt – es sind Sperlinge und Krähen und Tauben, aber sie wagen es nicht, in den Nebel hineinzufliegen, und das Gebiet unmittelbar von den Festungsmauern scheint ihnen zuwider zu sein.
Der Feind hat Lindwürmer, und sie reiten den ganzen Tag auf den Luftströmungen hoch über uns. Selbst in diesem Augenblick segelt einer über mir.
In den Wäldern westlich von uns sind Axtschläge zu hören. Zweimal täglich kommen große Gruppen von Männern aus dem Waldrand hervor, nähern sich dem Nebel bis auf Bogenschussweite und schießen ihre Pfeile ab. Wir erwidern nichts darauf, allerdings sammeln unsere eigenen Bogenschützen danach die Pfeile ein.
Kurz vor Sonnenuntergang haben wir drei Ausfälle gemacht: einen nach Norden, einen nach Westen und einen weiteren in annähernd westlicher Richtung entlang des Flusses .
Der Hauptmann ritt nach Westen in den Sonnenuntergang hinein, während seine Rüstung das wenige Licht sammelte, das noch aus dem Himmel fiel. Grendel trug heute seinen Rossharnisch, der aus zwei Lagen schwerer Ketten bestand und bis zu den Fesseln des mächtigen Tieres herabfiel.
Es hatte vier Diener bedurft, den Harnisch über den Rücken des großen Pferdes zu legen. Grendel hasste ihn, aber der Hauptmann war sich ziemlich sicher, dass die Wildbuben ihn angreifen würden.
Er hatte ein Dutzend vollständig gerüstete Soldaten bei sich, auf die die Bogenschützen folgten, und sobald Grendels Hufe die Unterstadt hinter sich gelassen hatten – die leer und verlassen war, mit Ausnahme von zwei Bogenschützen, die an dem steinernen Tor Wache hielten –, senkte er seine Sporen sanft in die Flanken des großen Pferdes, und Grendel setzte zu einem schnellen Trab über die Frühlingsfelder an. Der Nebel verdeckte das Licht und das Gelände. Es war leicht möglich, in diesem Nebel in einen Hinterhalt zu geraten, und so blieb er sehr achtsam.
Aber es war sein eigener Nebel, und dieser besaß einige besondere Eigenschaften.
Er ritt an dem Graben entlang nach Süden und warf immer wieder einen Blick auf die bereits vollbrachte Arbeit. Unter dem hölzernen Boden hatte er eine Überraschung versteckt, aber bei einem so nassen Untergrund diente der Boden noch einem ganz anderen Zweck.
Die Palisaden vermochten einen entschlossenen Feind zwar nicht aufzuhalten, aber wenn ihm genug Zeit blieb, würde er die Arbeiter anweisen, Ranken und Dornengestrüpp hineinzuweben, damit sie eine festere Barriere abgaben.
Er schüttelte den Kopf. Eigentlich war es vollkommen gleichgültig, denn dies alles bedeutete sowieso nur ein Ablenkungsmanöver.
Es gab fünf Brücken über den Graben, von denen jede so breit war, dass zwei voll bewaffnete Reiter mit ihren Pferden nebeneinander darüber vorankommen konnten, ohne dass ihre Pferde nervös wurden. Wenn ihm die Zeit dazu blieb, würde er
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