Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Mechanismen einbauen lassen, mit denen man die Brücken heben und absenken konnte.
Wenn ihm genug Zeit blieb, würde er aus seinem Gegner einen vollkommenen Narren machen. Aber er glaubte nicht, dass die Zeit dazu reichte. Er spürte – eine bessere Beschreibung gab es dafür nicht – die Verzweiflung seines Feindes. Dieser hatte keine große Erfahrung im Kampf gegen Menschen. Er war überheblich.
Das bin ich auch. Der Hauptmann grinste, wendete Grendel und ritt über die letzte Brücke vor der Brückenburg. Grendels Hufe hallten so dumpf, als würde er über einen Sarg reiten.
Woher kommt dieser Gedanke?
Gestern Abend war er bei Sonnenuntergang zum Apfelbaum gegangen. Sie war nicht gekommen. Er hatte sich darüber gewundert. Noch immer spürte er die Berührung ihrer Lippen.
Ich sollte mich ganz auf das konzentrieren, was vor mir liegt, tadelte er sich.
Er hatte ihr eine Nachricht am Baum hinterlassen. Sie hatte nicht darauf reagiert.
Allmählich ging ihm der Nebel aus. Auf den Frühlingswiesen dahinter wuchs frisches, grünes Gras, das am Ende zu Heu und Futter – oder Unkraut – werden würde. Nun war es rot betupft, als die Sonne unterging.
Er zügelte Grendel und wartete auf seine Begleiter.
Tom ritt neben ihn und hob die gepanzerte Hand. »Alle blicken sich angestrengt um. Der Nebel macht es schwer, etwas zu erkennen, aber seht nur, wie sauber der Boden von hier bis zum Waldrand ist – kein Graben, keine Hecke, kein Steinwall. Behaltet das in Erinnerung. Wenn wir noch einen Ausfall machen, sollte es entlang dieses Weges passieren.«
Ser Jehannes schüttelte den Kopf. »Wir sollten erst einmal den heutigen Tag überleben, bevor wir uns Gedanken um den morgigen machen.«
Der Hauptmann wandte den Blick zu seinem ältesten Offizier zurück. »Im Gegenteil, Messire. Wir wollen schon heute für den morgigen Triumph planen.«
Wut zeichnete sich auf dem Gesicht des alten Ritters ab.
»Friede!«, sagte der Hauptmann. »Darüber reden wir später.« Er sprach mit leichter Stimme, als ob dies im Augenblick unwichtig sei. »Falls wir mit dem Feind in Kontakt kommen sollten, reiten wir durch seine Reihen hindurch, kommen beim Signal der Trompete zusammen und ziehen uns wieder in den Nebel zurück. Mehr nicht. Wenn wir auf Boote treffen, zerstören wir sie. Ist das klar?«
Jehannes hörte aufmerksam zu. Falls er nervös war, zeigte es sich nicht.
Die Pferde tänzelten. Die Männer spuckten aus und versuchten so ruhig zu wirken wie ihr Anführer.
Der Nebel schien zu dünn zu sein, um so vielen Männern Schutz zu gewähren. Aber nichts geschah.
Und dann erklang aus dem Norden der Lärm jubelnder Männer, wiehernder Pferde und der Aufprall von Stahl gegen Stahl.
» Da sind sie also«, murmelte der Hauptmann. Diese vier dürren Worte drückten die ganzen letzten fünfzehn Minuten nervöser Ungeduld aus. Tom grinste. Jehannes hob die Hand und löste den Verschluss an seinem Visier. Dieses Geräusch setzte sich durch die ganze Reihe der Männer fort.
Aber nun schien der Hauptmann nicht mehr in Eile zu sein.
Die Schreie verstärkten sich.
Und dann ertönten raue Waldhorntöne hinter ihnen, und aus dem Norden drang hoher Hörnerschall herbei.
Alles geschah so, wie er es erwartet hatte, und nun, am Rande der Schlacht, befiel ihn ein Augenblick der Panik. Was ist, wenn das alles nur eine Falle ist? Wie kann ich vorhersagen, wie sie sich verhalten werden? Ich tue so, als wüsste ich, was ich tue, aber so einfach kann es nicht sein.
Sein Lehrer in der Kriegskunst war Hywel Writhe gewesen, der Waffenmeister seines Vaters. Seines angeblichen Vaters. Er war ein brillanter Schwertkämpfer und ein ausgezeichneter Turnierkämpfer. Außerdem war er unsterblich in die Lady Prudentia verliebt gewesen, hatte aber keinen Erfolg bei ihr gehabt.
Eine Erinnerung kroch in ihm hoch.
Zu Beginn der Schlacht erkannte der Hauptmann, dass er hintergangen worden war. Seine beiden Lehrer waren nicht nur ineinander verliebt gewesen, sie waren natürlich auch ein Liebespaar gewesen.
Warum denke ich vor dem Kampf ausgerechnet an so etwas?
Er lachte laut.
Hywel Writhe pflegte zu sagen: Krieg ist einfach. Deswegen ziehen ihn die Männer dem wirklichen Leben vor.
Und seine Lektion für seine sechs Schüler, die allesamt große Herren und Heerführer werden sollten, hatte gelautet: Macht nie einen Plan, der so kompliziert ist, dass ihr ihn nicht in einfachen Worten mitteilen könnt.
Der Hauptmann überdachte noch einmal seine
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