Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Mauritius und des heiligen Thomas, deren Disziplin genauso gut oder gar besser war als bei jeder Kriegergemeinschaft, die Gaston je gesehen hatte. Schweigend ritten sie in ihren schwarzen Rüstungen hinter dem Prior von Pynwrithe und seinem Marschall her.
Insgesamt standen dem König nun mehr als zweitausend Ritter und noch einmal genauso viele Schwertkämpfer zur Verfügung, dazu etwa dreitausend Fußsoldaten, deren Qualität zum Teil überragend war: Die grün gekleideten königlichen Jäger ritten vor der Kolonne her und schützten die Flanken; schweigend preschten sie durch das immer dichter werdende Buschwerk auf eigens dazu ausgebildeten Pferden, auch wenn sie als Bogenschützen zu Fuß kämpften. Oder die Qualität neigte zum Lächerlichen, denn es gab auch gepresste Bauern mit Speeren und ohne jede Rüstung, die entweder zwanzig Tage lang dienten oder so lange, bis der ihnen zustehende Anteil am Schinken aufgegessen war.
Die Männer zu seinen Füßen aßen so schnell wie möglich.
Sein wunderschöner Vetter ritt am Kopf seines Trupps. Er trug seine volle Rüstung – das taten alle Gallyer – und saß auf einem Kriegspferd. Doch in den letzten Tagen machten es die albischen Ritter genauso – nicht alle gleichzeitig, sondern nach und nach. Und abends übten sie inzwischen mit ihren Lanzen und Schwertern und bildeten mit ihren Pferden lange Reihen.
De Vrailly ging von einer Gruppe zur nächsten, lobte einige, tadelte andere. Er pries die Eifrigen und beachtete die Faulen gar nicht. Die Männer redeten allmählich schon über ihn.
Die Ritter beachteten ihn, die anderen nicht.
Gaston sah den Männern unter der Brücke weiter zu, und sie beobachteten ihn, kauten und schluckten dabei so schnell, wie es ihnen möglich war.
Er ließ seinem Pferd die Zügel schießen, während es sich zum grasbewachsenen Flussufer begab. Die Männer unter der Brücke nahmen ihre Habseligkeiten auf, doch er hielt die Hand hoch und kam ihnen zuvor.
»Wir haben nichts getan«, sagte ein Bauerntölpel mit sandfarbenem Haar und einem kurzen Bart und hob die fettigen Hände.
Gaston schüttelte den Kopf. »Beantworte mir eine Frage«, sagte er langsam und deutlich. Es brachte ihn stets durcheinander, wenn er albisch sprechen musste.
Der Sandhaarige zuckte die Schultern. Gaston bemerkte, dass er nicht höflich gegrüßt hatte; er hatte weder salutiert noch sich verneigt.
Albier. Ein Volk von Narren und Gesetzlosen.
»Warum seid ihr so erpicht darauf, euren gekochten Schinken zu essen und dann wieder nach Hause zu eilen?«, fragte er. Dann führte er seine Stute zwei Schritte näher an die Männer heran, damit er die Antwort besser hören konnte, und schaute sie von oben herab an.
Alle vier sahen ihn an, als sei er der Narr und nicht sie.
»Vielleicht weil mich meine Frau zu Hause braucht?«, meinte einer von ihnen.
»Weil in zehn Tagen das Heu gemacht werden muss, wenn die Sonne so weiterscheint«, sagte der zweite Mann. Er trug ein feines Leinenhemd und hatte einen Silberring am Finger. Nach gallyschen Maßstäben waren die albischen Bauern reich, fett und hatten schlechte Manieren.
»Weil mein Vertrag sagt, dass ich nach Hause gehen kann, wenn der Schinken hier verspeist ist«, sagte der dritte, ein langhaariger alter Mann. Sein Haar war schon fast ganz weiß, und Gaston sah die Umrisse eines vorsichtig entfernten Kreuzfahrerabzeichens auf seinem Hemd.
»Du hast schon einmal gekämpft, nicht wahr?«, fragte er.
Der ältere Mann nickte; seine Miene aber blieb ausdruckslos. »Allerdings, Jungchen«, sagte er. Seine Stimme hallte unter der Brücke.
»Wo?«, fragte Gaston.
»Im Osten«, antwortete der alte Mann und biss noch einmal in den Schinken. »Und davor habe ich unter Ser Gilles de Laines gegen die Paynim gekämpft. Und ich habe auch unter Lord Bain gedient. Und unter dem König bei der Schlacht von Chevin. Hättet Ihr das ebenfalls getan, würdet Ihr nicht diese dummen Fragen stellen. Wir essen unseren Schinken, damit wir nach Hause gehen können und nicht, um zu kämpfen. Denn es wird schrecklich werden, und ich weiß ganz genau, wie es sein mag. Und mein Schwiegersohn und seine beiden Freunde hier werden mit mir gehen.«
Gaston war vom Ton des Mannes schockiert – und auch von dem mörderischen Glitzern in seinen Augen. »Aber du … du bist ein homme armé gewesen. Du weißt, was Ehre ist – und was Ruhm.«
Der Mann sah ihn an, schluckte sein Stück Schinken herunter und spuckte aus. »Damit bin ich fertig.
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