Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
der Brückenburg, der die Ellbogen auf die Tischplatte gestellt und den Kopf in die Hände gestützt hatte. Meister Gelfred saß abseits von den anderen, mit denen er sich offenbar nicht gemein machen wollte. Pater Henry, der Priester, saß mit einem Stylus und einigen Wachstafeln da und war bereit, die getroffenen Entscheidungen aufzuschreiben.
Die Äbtissin saß zur Rechten des Hauptmanns und wurde von zwei Schwestern flankiert, die neben ihr standen. Der Hauptmann hatte in Erfahrung gebracht, dass diese beiden die Cellerarin und die Novizenmeisterin waren und damit die beiden wichtigsten Ämter im Kloster innehatten. Es handelte sich um Schwester Miram und Schwester Ann.
Als sich alle Männer niedergelassen hatten, räusperte sich die Äbtissin. »Hauptmann?«, fragte sie.
Er nahm die Stiefel vom Stuhl und setzte sich auf. »Also gut«, sagte er. »Nun werden wir endlich belagert. Unser Feind hat in Erfahrung gebracht, wie wenige wir sind, außerdem hat er die Straßen gesperrt.« Er zuckte mit den Schultern. »Das ist eine schlimmere Niederlage, als wir sie je im Feld erdulden mussten. Nach dem gestrigen ungeheuren Glücksfall für uns hätte der Feind eigentlich glauben müssen, dass …«
»Das Werk Gottes!«, warf Meister Random ein.
»Der Feind hätte eigentlich annehmen sollen«, fuhr der Hauptmann fort, »dass wir eine große Garnison und eine Menge mächtiger Phantasmata zur Verfügung haben, wenn es uns möglich ist, einen solchen Angriff zu führen. Stattdessen hat er die Nacht dazu benutzt, in alle meine Außenposten einzurücken. Ich habe in der letzten Nacht drei sehr gute Männer verloren, meine Damen und Herren.« Er sah sich um. Die sorgsam versteckten Armbrustschützen im Boden hatten nicht ausgereicht, und nun waren Guillaume Langschwert, einer seiner Offiziere sowie dessen Page und Bogenschütze tot, und der junge Will, sein Knappe, weinte sich im Krankensaal die Gedärme aus dem Leib. »Das sind mehr Männer, als wir im gestrigen Kampf verloren haben«, fügte er hinzu.
Die übrigen Söldner nickten.
»Allerdings ist positiv anzumerken, dass uns Meister Random ein Dutzend Soldaten und sechzig Bogenschützen verschafft hat.« Von sehr unterschiedlicher Güte, und jeder von ihnen ist gestern irgendwann im Verlauf des Kampfes weggelaufen. Jeder außer einem, dachte er verbittert. Ser Gawin hatte sich noch nicht dazu herabgelassen, die Augen zu öffnen.
»Meine Gildenmänner sind keine richtigen Bogenschützen«, wandte Meister Random ein.
Der Hauptmann lehnte sich zurück und betrachtete den Mann. »Ich weiß, dass sie das nicht sind«, sagte er. »Aber für die Dauer der Belagerung werden sie wie Soldaten behandelt, Meister.«
Random nickte. »Ich kann ebenfalls ein Schwert schwingen.«
Der Hauptmann hatte bereits bemerkt, dass er eines trug, und den Berichten zufolge hatte sich der Kaufmann auch recht gut geschlagen.
»Wir haben also vierzig Männer, die eine Rüstung zu tragen imstande sind«, fuhr er fort, »und dazu unsere Knappen, insgesamt immerhin eine Streitkraft, die mit der von sechzig Rittern vergleichbar ist. Wir verfügen etwa über die dreifache Zahl von Bogenschützen, dank den besseren Bauern und den Gildenmännern.« Er sah sich um. »Unser Feind besitzt hingegen mindestens fünftausend Kämpfer – Kobolde, Irks, Verbündete und Menschen zusammengenommen.«
»Gütiger Gott im Himmel!« Ser Milus richtete sich auf.
Ser Jehannes sah aus, als hätte er etwas Verfaultes gegessen.
Meister Gelfred nickte, als der Hauptmann den Blick auf ihn richtete. »Angesichts dessen, was ich heute Morgen beobachten musste, können es nicht weniger sein«, sagte er. »Der Feind kann jede Straße und jeden Pfad gleichzeitig blockieren, und sie wechseln ihre Kämpfer alle paar Stunden aus.« Er zuckte die Schultern. »Man kann den Kobolden dabei zusehen, wie sie hinter der Reichweite unserer Schleudern Gräben ausheben. Es ist, als würde man Termiten bei der Arbeit zuschauen. Allerdings sind es ziemlich große und ziemlich viele Termiten.«
Der Hauptmann sah sich weiter um. »Dazu haben wir noch hundert Kaufleute und ihren Tross sowie vierhundert Frauen und Kinder.« Er lächelte. »Wenn wir im Osten wären, würde ich sie jetzt sofort nach draußen schicken, damit sie die Reihen der Belagerer mit nutzlosen Mäulern anfüllen. Aber hier würden sie stattdessen nur deren Bäuche füllen.« Niemand schien seinen Humor zu schätzen.
»Das könnt Ihr nicht ernsthaft in Erwägung
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