Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
angreifen, und am Ende wird er sie brechen.« Er wandte sich an den Hauptmann. »Aber wenn ich mich nicht schrecklich irre, wird er diese Möglichkeit erst dann ergreifen, wenn alles andere gescheitert ist, denn der Preis, den er dafür bezahlen müsste, wäre ungeheuerlich.«
Der Hauptmann nickte. »Eine solche Antwort hatte ich erwartet. Zweite Frage: Ihr seid der Magus des Königs. Hättet Ihr die Macht, Thorn abzulenken? Oder gar die, ihn zu besiegen?«
Harmodius nickte. »Ich glaube, ich könnte ihn durchaus ablenken – vielleicht ohne große Gefahr für mich, vielleicht aber auch unter großen Gefahren.« Er lachte. »Ich spüre ihn überall um uns herum, Mylords. Er will unsere Gedanken ausforschen, aber bisher hat ihn die Macht in diesem Konvent und in den Festungsmauern aufgehalten. Er weiß, dass ich hier bin, doch ich glaube nicht, dass er auch schon weiß, wer ich bin.« Harmodius schüttelte den Kopf und schien wieder einmal zu schrumpfen. »Aber bis vor ein paar Tagen habe ich nicht einmal selbst gewusst, wer ich in Wirklichkeit bin. Bei Gott, wie er mich in die Irre geführt hat!«
Der Hauptmann lehnte sich zurück und dachte angestrengt nach. »Könnt Ihr Euch einen Umstand vorstellen, der dazu führen würde, dass er die Belagerung aufgibt?«, fragte er. »Würde er sich zum Beispiel einfach zurückziehen, wenn der König kommt?«
Harmodius sah die anderen lange an. »Ihr habt wirklich keine Ahnung, womit Ihr es zu tun habt«, meinte er. »Glaubt Ihr denn wirklich, dass es der König bis hierher schaffen wird?«
Der Hauptmann verzog das Gesicht. »Ihr seid der allwissende Magus, und ich bin bloß ein junger Spund, der ein paar Söldner befehligt, aber mir scheint es …«
»Erspart uns Eure falsche Demut«, fuhr Harmodius ihn an.
»Und Ihr solltet uns Eure ungeheure Anmaßung ersparen! Für mich hat es den Anschein, dass der Feind keinen sorgfältig ausgearbeiteten Plan hat, und bei allem gebotenen Respekt, Magus, mir scheint dieser Thorn nicht so ungeheuer schlau zu sein, wie Ihr behauptet.« Der Hauptmann sah sich um.
Ser Milus nickte. »Ich stimme Euch zu. Er macht Anfängerfehler. Hat keine Ahnung von Kriegsführung.« Er zuckte mit den Achseln. »Zumindest nicht von der menschlichen Kriegsführung.«
Harmodius wollte etwas entgegnen, doch dann zupfte er nur an seinem langen Bart. Eine drückende Stille setzte ein. Die Männer am Tisch begriffen, dass sie auf die Erwiderung des Magus vorbereitet wurden.
Doch er schüttelte den Kopf. »Das ist … ein interessanter Gesichtspunkt. Und möglicherweise auch ein sehr treffender.«
Pater Henry ging mit hängenden Schultern aus der großen Halle. Meg beobachtete ihn, wie er die Kapelle betrat, sich auf einen geschnitzten Stuhl in der Nähe der Tür setzte und den Kopf auf die Hände stützte.
Er war kein schlechter Priester. Er hatte ihr die Beichte abgenommen und sie mit einer erträglichen Buße Gott anvertraut. Gern hätte sie ihn deswegen gemocht, wäre nicht in seinen Augen etwas gewesen, das sie nicht mögen konnte. Außerdem war seine feuchte Hand auf ihrer Stirn unangenehm gewesen.
Über all dies dachte sie nach, als die Bogenschützen herbeikamen. Es waren zwei jüngere Schützen, die sie nicht gut kannte. Der Größere trug sein Haar hellrot und zeigte ein leeres Lächeln. Sie hatten ihre Panzerhemden ausgezogen und sahen sich im Hof um.
Sie wirkten, als würden sie gleich Schwierigkeiten machen.
Der Große mit einem Bart wie eine Judasziege hatte die Wäscherin Lis erspäht, doch sie gab sich nicht mit Männern seines Alters ab und drehte ihm den Rücken zu, sodass seine Aufmerksamkeit zu Amie hinüberwanderte, der Ältesten des Kutschers. Sie war eine Blonde mit mehr Oberweite als Hirn, wie ihre Mutter selbst gesagt hatte, während ihre jüngere Schwester Kitty nicht nur klug war, sondern auch wunderschöne dunkle Locken und leicht mandelförmige Augen hatte.
Die Bogenschützen gingen auf die beiden Mädchen zu, die auf Schemeln neben der Klosterküche saßen und in Handmühlen die Gerste für das Brot mahlten. Es war eine langweilige und doch wichtige Tätigkeit, die die Nonnen allerdings für begehrenswerte junge Frauen als bestens geeignet hielten.
Sie hatten bereits einen ganzen Hof von Bewunderern, und die jungen Männer – Bauernsöhne und Lehrlinge – machten natürlich die Arbeit für sie. Das fanden die Nonnen vermutlich nicht so schlimm, dachte Meg, aber wenn sie nichts dagegen unternahmen, würden diese
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