Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Schutz vor den Pfeilen böten.
So war es auch … größtenteils.
Die Irks fielen zurück. Sie überfluteten die Unterstadt, aber sie ließen die Männer zum Turm laufen. Und nun öffnete sich das Ausfalltor. Langpfotes Schwert und Schild gingen hoch, als wären sie miteinander verbunden. Sein Schild rammte gegen den Schädel eines Irks, und mit dem Schwert köpfte er einen anderen. Mit der gleichen Bewegung hielt er das Schwert wieder schützend vor sich, machte einen Schritt zurück und parierte gleich zwei Speerwürfe mit einer einzigen Bewegung seiner Klinge. Er schob seinen Schild unter die Arme eines Irks, der einen Speer nach ihm schleudern wollte, rammte ihm den Griff seines Schwertes in das ungeschützte Gesicht und warf die leichte Kreatur gegen seine Gefährten.
Dann trat er wieder einen Schritt zurück, und das Ausfalltor wurde zugeworfen.
Lissen Carak · Der Rote Ritter
Ser Jehannes hatte den Ausfalltrupp nach zwei Dritteln des Weges den Hang hinunter angehalten, nachdem klar geworden war, dass die Bresche nicht mehr zu verteidigen war. Nun machte der Trupp kehrt und ritt den Berg schweigend wieder hinauf.
Der Hauptmann wartete am Tor.
»Richtig gemacht«, sagte er zu Jehannes. »Guter Befehl.«
Jehannes stieg ab, übergab seine Zügel einem der Bauern – die Diener waren allesamt im Einsatz – und wollte schon weggehen. »Die Unterstadt ist verloren«, sagte er dabei.
»Nein«, entgegnete der Hauptmann. »Noch nicht.«
Über ihren Köpfen schleuderte die Blide gerade wieder eine Steinladung.
»Ihr riskiert alles in der Hoffnung, dass Ihr Unterstützung erhaltet. Vom König.« Jehannes hielt sich offenbar im Zaum. Er sprach die Worte besonders sorgfältig aus.
Der Hauptmann legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ja«, sagte er nur.
»Möge Christus mit uns sein«, meinte Jehannes.
Westlich von Albinkirk, Südufer des Cohocton · Gaston
Gaston hatte seine Waffenübungen gemacht, und er hatte gebetet. Nun blieb ihm nicht mehr viel zu tun. Er hatte genug von seinem Vetter und auch genug von der Armee – in jeder Hinsicht.
Also bestieg er sein Pferd, ließ seinen Diener beim Zelteingang zurück und begab sich auf einen Ausritt.
Das Lager war riesig. Es dehnte sich nach allen Richtungen aus und war mit seinen mehr als zweitausend Zelten, Hunderten von Wagen, die zu einer Mauer zusammengestellt worden waren, sowie dem umlaufenden Graben, der mannstief war und dessen Aushub ein niedriges Bollwerk bildete, so groß wie ein Jahrmarkt oder sogar eine kleine Stadt.
Allen war es bei Strafe verboten, sich außerhalb des Grabens aufzuhalten. Gaston begriff besser als sein Vetter, dass er ein Beispiel geben musste, und so ritt er langsam an der Innenseite des Grabens entlang und nickte dabei den albischen Rittern und ihren Lords zu.
Er sah zwei jüngere Männer mit Falken auf den Handgelenken und war neidisch auf sie.
Er dachte an Zuhause. An die sonnengetränkten Täler. An die Ausritte mit den Freundinnen seiner Schwester und an den Wein, den Witz und die Ausgelassenheit dabei, an die Jagd auf Vögel, an das Erklettern von Bäumen, das Betrachten eines wohlgeformten Leibes auf einem Pferd oder an einem Flussufer …
Er schüttelte den Kopf, doch das Bild von Constance d’Eveaux, wie sie über die entblößte Schulter zurücksah, bevor sie in den See sprang, ging ihm nicht aus dem Sinn.
Zwischen ihnen war nichts gewesen. Bis zu jenem Moment hatte er sie nur als eines unter mehreren hübschen Gesichtern, die zu den Freundinnen seiner Schwester gehörten, wahrgenommen.
Warum bin ich hier?, fragte sich Gaston.
»Seht Ihr etwas, das Ihr haben möchtet?«, fragte eine bekannte Stimme.
Gaston zügelte sein Pferd – sein Tagtraum zerstob.
Es war der alte Bogenschütze. Gaston war überrascht, dass er sich freute, den Mann von niederer Herkunft wiederzusehen.
»Du wolltest doch nach Hause gehen«, sagte Gaston.
Der alte Mann lachte. »Heh«, sagte er. »Lord Edward hat mich gebeten zu bleiben. Ich bin ein Dummkopf, also bin ich geblieben. Stattdessen habe ich meinen nutzlosen Schwager nach Hause geschickt.« Er zuckte die Achseln. »Von uns beiden braucht meine Tochter ihn vermutlich eher als mich.«
»Der Lord von Bain?«, fragte Gaston.
»Genau der. Ich war vor etwa zehn Jahren sein Bogenschütze.« Er zuckte die Achseln. »Das waren haarige Zeiten.«
Gaston nickte. »Ich weiß, dass du Soldat gewesen bist.«
Der alte Bogenschütze grinste. »Allerdings. Ich habe gemeint, was ich sagte.
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