Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
im Wald einfach so knackten.
Ein Vogel flog durch die nassen Blätter, verursachte ein raschelndes Geräusch, brach aus den Blättern hervor und sprang in die Luft.
Etwas hat sich gerade bewegt.
Galahad spürte, wie das Blut in seinen Adern stockte.
Nervös blickte er nach rechts und nach links.
O gute Jungfrau Maria jetzt und in der Stunde unseres Todes Amen.
Sie waren fast unhörbar – sammelten sich beim Fluss am Fuß des niedrigen Hügels.
Aber es waren Hunderte.
O mein Gott lieber Gott omeingott …
Ihr Anführer war ein gertenschlanker Dämon, ganz schwarz, der sich wie die Verkörperung eines Schattens bewegte und eher flatterte als ging. Hinter ihm kamen die Heerscharen der Hölle; sie schritten, stolzierten, watschelten, schlurften …
Galahad konnte sie weder beobachten noch den Kopf einfach wegdrehen. Wenn er die Augen schloss, wusste er nicht mehr, wie sie ausgesehen hatten.
Sein Verstand arbeitete nicht länger. Sollte er weglaufen? Hierbleiben?
Er bestand nur noch aus Angst.
Sie bewegten sich am Wasserlauf entlang und brachten dabei kaum ein Blatt in Bewegung. Sie waren schnell unterwegs, wechselten unter seinen Blicken von links nach rechts.
Schließlich begriff er, dass sie nicht zu ihm kommen und ihm jedes Glied einzeln ausreißen würden. Doch das hielt ihn keineswegs davon ab, leise weiterzukeuchen, und es vertrieb auch nicht die Kälte aus seinen Knochen.
Und dann waren sie verschwunden, nach Norden, auf den größeren Fluss zu.
Es dauerte lange, bis er wieder so atmen konnte wie immer.
Als ihn der Prior bei Sonnenuntergang fand, lag er noch immer da und brach in Tränen aus.
Der Prior umarmte ihn. »Es tut mir leid«, sagte der Ritter. »Du hast dich gut verhalten.«
Galahad schämte sich seiner Tränen, aber er konnte sie nicht zurückhalten.
»Sie sind zwischen uns und dich gekommen«, fuhr der Prior fort. »Ich durfte doch das Leben meiner Ritter nicht um deinetwillen gefährden. So ist es nun einmal hier draußen.« Er klopfte Galahad auf die Schulter. »Das hast du sehr gut gemacht.«
Sie brachen das Lager in der gleichen Stille ab, in der die Ritter auch alles andere taten. Dann begaben sie sich nach Norden, und Galahad bemerkte, dass die Spuren, die von den Dämonen hinterlassen worden waren, den Umriss menschlicher Füße hatten. Er sah sehr genau hin, erkannte aber nichts anderes als die Abdrücke nackter Füße und weicher Schuhe.
Ein junger Ritter vom Orden des heiligen Thomas nickte ihm zu. Er räusperte sich leise und beugte sich zu ihm hinüber. »Sossag«, sagte er.
»Ich dachte, es sind Dämonen.« Er sah den Ritter an.
Der junge Mann schüttelte den Kopf, legte einen Finger vor die Lippen und ritt weiter.
In jener Nacht legte Diccon den Arm um ihn. »Tut mir leid, Junge. Eigentlich hätte man mich beim Gepäck zurücklassen sollen. Ich weiß nicht einmal, warum wir hier sind.«
Der Prior kam und bot beiden einen Becher mit warmem Met an. Er setzte sich auf die Hacken, war noch immer von Kopf bis Fuß mit Ketten und Panzern bedeckt.
»Ihr beiden seid hier, um meine Nachrichten dem König zu übermitteln – sofern ich welche habe.« Er blickte vor und zurück. »Morgen.«
Diccon trank seinen Met. »Was habt Ihr heute erfahren?«
»Die Festung hält noch stand«, sagte der Prior. »Und sie hält auch noch die Brücke. Die Äbtissin hat sich viel besser geschlagen, als ich erwartet hatte, und deswegen muss ich mich bei ihr entschuldigen.« Er lächelte Galahad an. »Die Schwierigkeit des Schweigegelübdes besteht darin, dass es anfällig für Geschwätz macht.«
Diccon nickte. »Ich werde bei Sonnenaufgang losreiten.«
Der Prior schüttelte den Kopf. »Die Wälder auf dieser Seite des Flusses sind voller Feinde: Sossag, Abonacki, Irks, Kobolde und noch Schlimmeres. Morgen Abend werden wir eine Kundgebung abhalten. Eine laute Kundgebung. Wir werden jede Kreatur der Finsternis wie Motten ans Licht locken.« Er lächelte. »Und dann werdet ihr losreiten.«
Lissen Carak · Der Rote Ritter
Nur wenige Meilen nördlich von dem Hügel, auf dem der Prior lagerte, stand der Hauptmann zusammen mit der Äbtissin am Tor der Festung. Hinter ihm befanden sich die meisten seiner Soldaten, angeführt von Jehannes, sowie zwanzig Knappen und Diener, die von Jacques befehligt wurden. Jeder Mann trug ein Nonnenhabit über seiner Rüstung.
Der Hauptmann versammelte sie im Kreis.
»Wir geben eine ziemlich beängstigende Nonnenschar ab«, sagte er. »Der Orden vom
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