Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Gelände. Der Westhang der moreanischen Berge war früher einmal fruchtbares Land gewesen. Noch immer wuchsen Reben zwischen den jungen Bäumen, und sie kamen an einem Dutzend Gehöften vorbei, die verlassen und deren Dächer eingefallen waren. Keines aber war ausgebrannt. Die Menschen waren hier einfach eines Tages weggegangen und nicht mehr zurückgekehrt.
Ranald hatte all dies schon oft gesehen, doch nun nahm er es deutlicher wahr.
An jenem Abend schlugen sie ihr Lager am Albin auf. Sie hatten die Herde schnell vorangetrieben und zwanzig oder mehr Meilen zurückgelegt. Die jungen Männer waren so erschöpft, dass Ranald eine neue Dienstliste erstellte. Langsam und sorgfältig schrieb er sie auf sein Wachstäfelchen, machte für einige Männer ein Zeichen und schrieb die Namen anderer in der alten Art und Weise auf.
Kenneth Holiot war zwar kein Barde, aber alle wussten, dass der Junge spielen konnte, und in jener Nacht sang er einige Strophen zum Klang der alten Leier seines Vaters. Dann schüttelte er den Kopf und schrieb einige weitere nieder. Er arbeitete an einem Lied über den Tod Hectors. Er kannte den Tod eines anderen Hector, verfasst in archaischer Sprache, und das stachelte ihn an. Er hatte sich fest vorgenommen, dieses Lied zu schreiben.
Nach einer Stunde fluchte er und ging in die Finsternis hinein.
Ranald weinte.
Die anderen Männer ließen ihn weinen, und als seine Tränen allmählich trockneten, kam Donald herbei und legte ihm die Hand auf die Schulter, dann rollte er sich in seinen Umhang und schlief ein.
Lissen Carak · Der Rote Ritter
Er beobachtete seinen Gegner und wartete auf den Tod.
Seine Schulter blutete. Sein Gesicht blutete ebenfalls. Jehannes war einen halben Schritt hinter ihm; er wagte nicht, sich zurückzuziehen, und aus irgendeinem Grund schienen seine Leute zu glauben, er wolle diesen Zweikampf ausfechten.
Warmes Blut rann an seiner Seite herunter.
Die Anstrengung, das Schwert in Angriffsstellung über dem Kopf zu halten, wurde allmählich zu viel für ihn. Er würde zuschlagen müssen, und das wäre sein Ende.
Doch das Wesen war schneller und stärker als er. Er hatte versucht es anzugreifen, das Schwert in es hineinzustoßen, hatte all seine Kniffe ausprobiert. Nichts davon hatte ihm einen Vorteil verschafft.
Der Dämon stand einfach da und hielt seine beiden Äxte über dem Kopf.
Und dann, so plötzlich der Angriff auch gekommen sein mochte, glitt der Blick des Wesens an ihm vorbei, und innerhalb eines Schulterzuckens war es verschwunden . Die Luft machte ein knallendes Geräusch, als es sich verflüchtigte.
Verzweifelt bemühte er sich, nicht vornüberzufallen. Er fing sich, stand da und schaute die Straße bergabwärts bis zu den Feuern, die in der Unterstadt loderten.
Dann drehte er sich um und sah, wie Michael Jehannes unter den Achseln gepackt hatte und den Ritter den Weg hinaufzog.
Cuddy stand dicht hinter ihm und hatte seinen Bogen gespannt. Ganz langsam ließ der Schütze die Spannung aus den Gliedern, und der große Bogen kehrte zu seiner ursprünglichen Form zurück. Dann steckte Cuddy den Pfeil wieder in seinen Köcher.
»Entschuldigung, Hauptmann«, sagte er. »Das hättet Ihr nicht gewonnen.«
Der Hauptmann lachte. Er lachte und lachte, und er lachte noch immer, als sie ihn schon durch das Tor zogen und es zuschlugen und Ser Michael das große eiserne Fallgitter herunterließ.
Er klopfte Cuddy auf den Rückenpanzer. »Das hätte ich auch nicht«, sagte er.
Dann zog ihm Michael den Helm vom Kopf, und der Hauptmann sog die frische, kühle Luft in tiefen Zügen ein. Ein Dutzend Männer bemühten sich, ihm die Rüstung auszuziehen.
Er sah die Äbtissin. Sah Harmodius, der ihn angrinste.
Roter Ritter! Roter Ritter! Roter Ritter! Roter Ritter!
Er nahm das alles kurz in sich auf, und als er seines Brust- und Rückenpanzers entledigt war, sprang er auf die Beine. Die Männer, die ihn ausgezogen hatten, grinsten und wichen zurück, doch ihr Grinsen schwand, als sie sahen, wie viel Blut an seiner Seite herunterlief.
Er nickte, winkte sie weg, lief unbewaffnet und ohne Ansehung seiner Wunden in die Menschenmenge hinein und schien darin zu verschwinden. Nirgendwo sah er Amicia. Aber er spürte, dass sie da war.
Er wollte sie finden. Und fand sie auch.
Sie wartete unter dem Apfelbaum auf ihn.
Sie biss sich auf die Lippe.
»Ich werde nichts sagen«, meinte er fröhlich. »Ich …«
Sie zog ihn mit starkem Arm auf die Bank herunter und beugte sich vor
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